Viel Zeit bleibt nicht
Flüchtlingspolitik ist für die meisten Wahlkämpfer bislang ein unliebsames Thema gewesen. Lieber nicht so oft und nicht so viel darüber reden – so lautete die bisherige Strategie der meisten Parteien. Schließlich ist es vor allem die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD), die versucht, mit dem Thema Stimmung zu machen, Ressentiments zu schüren und zu punkten. Kaum gingen jedoch die Flüchtlingszahlen spürbar zurück, verlor die AfD immer mehr an Zustimmung.
Doch plötzlich ist die Flüchtlingsfrage wieder da. Schließlich ist die Zahl der Menschen, die sich über das Mittelmeer nach Europa aufmachen, bis zum Sommer wieder deutlich angestiegen. Mag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch ihr „Wir schaffen das“nicht mehr wiederholen, so beharrt sie doch darauf, keine Fehler in der Flüchtlingskrise begangen zu haben. Selbstbewusst erklärt sie, dass sie alle wichtigen Entscheidungen des Jahres 2015 auch heute wieder so treffen würde, und will den Migrationsgipfel von Paris für neue Initiativen nutzen. Die Flüchtlingspolitik ist im Bundestagswahlkampf angekommen.
Natürlich ist es richtig, den Blick auf die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu richten. Das Treffen am Montag und der für den Herbst geplante EU-Afrika-Gipfel sollen hier wichtige Weichenstellungen bringen. Doch bei all ihren neuen Plänen im Hinblick auf Afrika darf Merkel nicht vergessen, dass viele Probleme auch in Deutschland und Europa gelöst werden müssen: Da ist die Sicherung der Außengrenzen und eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedsländer der Union. Europa braucht ein Dublin-Nachfolgemodell, und Deutschland muss die Frage klären, wie die Abschiebung jener organisiert werden soll, die kein Bleibe- und Asylrecht genießen. Und schließlich müssen die Menschen, die ein solches Recht haben, in die Gesellschaft integriert werden.
Angela Merkel will die Zweifler von ihrer Flüchtlingspolitik überzeugen. Viel Zeit bis zur Bundestagswahl bleibt ihr nicht mehr.