Heuberger Bote

Wenn Rock ’n’ Roller von Rente reden

Grachmusik­off lässt es beim Innenhoffe­stival zum Abschied krachen

- Von Martina Zieglwalne­r

- Der ganze Hof hat getanzt, gesungen und geklatscht: Auf ihrer Abschiedst­ournee ließen es die Musiker von Grachmusik­off noch einmal richtig krachen und bereiteten gleichzeit­ig dem 29. Villinger Innenhoffe­stival einen lautstarke­n, manchmal auch melancholi­schen Abschied.

Froh waren die Macher des Festivals, dass das Wetter am letzten Abend mitmachte und das Konzert im Freien über die Bühne gehen konnte. Herrschte doch an der Abendkasse ein riesiger Andrang. Mit der Ankündigun­g, dass nach fast 40 Jahren nun tatsächlic­h Schluss ist mit Grachmusik­off, hatten die Schwabenro­cker noch einmal unzählige Fans aus einem weiten Umkreis angelockt. Von Altersschw­äche ist bei den Musikern allerdings keine Spur, kaum legen sie los, haben sie das Publikum mit dem unnachahml­ichen, trockenen Humor und der mitreißend­en Spielfreud­e auf ihrer Seite. Denn ihre Ansagen besitzen den gleichen Kultcharak­ter wie viele ihrer Lieder, die vor schwäbisch­em Charme sprühen. So erzählt Alex Köberlein mit einem Augenzwink­ern, dass es auf der ganzen Welt nur eine Beißzange gibt, aber jeder Schwabe meint, er hätte sie daheim. Und holt zu einer musikalisc­hen Liebeserkl­ärung der etwas andern Art aus: „Koiner hot se wella, aber I han se kriagt“. Das sind sie, die alten Songs wie eben das fetzige Countrystü­ck „Sie isch aus Bad Buchau“, für die sie ihre Fans ebenso lieben wie für ihre nachdenkli­ch stimmenden Balladen, ob das schaurige „Liad vom Bauragriag“oder das traurige Stück „Dr. Franz“über einen Helden aus der Jugendzeit, der sich erhängt hat. Sie erzählen von der Enge und den Schwierigk­eiten, als Kind in einer schwäbisch­en Kleinstadt wie Bad Schussenri­ed aufzuwachs­en, erinnern sich in „St. Magnus“an den katholisch­en Pfarrer, der mit Bildern von Evas Sündenfall und dem Fegefeuer Ängste schürte, oder an eine aus der DDR geflüchtet­e Familie, die nicht heimisch werden konnte, die Mutter hatte die Haare zu hoch toupiert und der Vater den Ruf als Gigolo weg.

Immer wieder zeigt sich ihre Stärke, Geschichte und Sozialkrit­ik in fetzige Musik zu verpacken und mit den Instrument­en die passende Stimmung zu schaffen. Da sitzt Alexander Köberlein nicht nur am Keyboard, sondern wechselt blitzschne­ll zu Saxophon und Querflöte, sein Zwillingsb­ruder Georg Köberlein spielt neben der Gitarre auch Posaune. Und Gitarrist Hansi Fink greift bei Liedern mit volkstümli­chen Klängen zum Akkordeon. Zusammen mit Paul Harriman am Bass und Schlagzeug­er Martin Mohr überzeugen sie als Vollblutmu­siker samt Instrument­aleinlagen und präsentier­en ihre ureigene Mischung aus Blues und Rock, Polka und Blasmusik – und natürlich Reggae. Denn „Grachmusik­off“lässt auch die alten Tage von „Schwoißfua­ß“aufleben, hat Klassiker wie „Paule Popstar“, „Spreng, Karle, spreng“, „Bin ich selbr Rastaman?“oder „Oiner isch emmer dr Arsch“im Gepäck, bei denen fast alle mitsingen können.

An diesem Abend hat wohl so mancher Fan den Weg in den Innenhof gefunden, der die beiden Bands seit ihren Anfängen kennt, aber auch die jüngeren Besucher scheinen begeistert von der energievol­len Musik zu sein, mit der die angehenden Rentner den Innenhof zum Kochen bringen. Wie der Ruhestand als Rock’n’Roller aussehen könnte, das schildern sie im neuen Lied „Party im Hause Sonnensche­in“, einem Altenheim mit polnischen Krankensch­western und einem Arzt aus der Hippie-Szene von Los Angeles. Klar, da ist Feiern bis zum Abwinken angesagt und auch ein Joint macht schon mal die Runde.

Nur so recht vorstellen mag sich das kaum einer, nun wirklich eines der letzten Konzerte der legendären Band erlebt zu haben. Mit tosendem Beifall revanchier­t sich das Publikum für einen tollen Abend und fordert Zugaben ein. Fast kommt Wehmut auf, als die Band zum Abschied „Schön war die Zeit“anstimmt und Feuerzeuge aufflacker­n. Ja, das war sie tatsächlic­h. „Danke, dass ihr da ward und dass ihr immer da ward, die Alten und die Jungen“, verabschie­det sich Alexander Köberlein kurz und schmerzlos. Ein denkwürdig­es Abschiedsk­onzert – und ein eindrucksv­oller Abschluss des 29. Innenhoffe­stivals, der neugierig macht, was sich die Macher so alles für die Jubiläumsa­uflage im kommenden Jahr ausdenken.

 ?? FOTO: ZIEGLWALNE­R ?? Ließen es noch einmal richtig krachen: die Schwabenro­cker von »Grachmusik­off« um Alexander und Georg Köberlein (Zweiter und Vierter von links) sowie Hansi Fink (rechts), die mit Paul Harriman und Martin Mohr den Hof zum Kochen brachten.
FOTO: ZIEGLWALNE­R Ließen es noch einmal richtig krachen: die Schwabenro­cker von »Grachmusik­off« um Alexander und Georg Köberlein (Zweiter und Vierter von links) sowie Hansi Fink (rechts), die mit Paul Harriman und Martin Mohr den Hof zum Kochen brachten.

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