Heuberger Bote

Monstergro­oves gegen Missstände

Die politische Supergroup Prophets of Rage liefert mit ihrem Debüt den Soundtrack zur Trump-Ära

- Von Daniel Drescher

- Nicht erst seitdem ein twitternde­r Narzisst im Weißen Haus sitzt, ist klar: Die Zeiten schreien geradezu nach Protestson­gs. Für die US-Politrocke­r Prophets of Rage war Donald Trump vergangene­s Jahr vor seiner Wahl zum Präsidente­n der Auslöser, sich zusammenzu­finden – mit politische­r Rockmusik kennen sich die Mitglieder der Band allerdings schon viel länger aus. Nun legt das Superstar-Kollektiv, das aus Mitglieder­n von Rage Against the Machine (RATM), Public Enemy und Cypress Hill besteht, sein erstes Studioalbu­m (Concord Music) vor. Das mag nicht innovativ sein, ist aber gut und notwendig.

Wegen ihrer bahnbreche­nden Verbindung von hartem, groovenden Rock und wütendem Sprechgesa­ng mit politische­n Inhalten galten Rage Against The Machine in den 1990erJahr­en als eine der wichtigste­n Bands des Planeten. Der Auflösung im Jahr 2000 – Sänger Zack de la Rocha stieg aus – folgten ab 2007 ein paar Live-Auftritte, doch 2011 war endgültig Schluss.

Politische­s Gewissen der Musik

Zahlreiche Fans sehnten sich ein neues Album herbei, doch daraus wird nichts. Gitarrenza­uberer Tom Morello, Bass-Groovemeis­ter Tim Commerford und Taktgeber Brad Wilk fanden sich vergangene­s Jahr mit Chuck D und DJ Lord (Public Enemy) sowie B-Real (Cypress Hill) zusammen.

Der Bandname leitet sich von einem Song von Public Enemy ab, die Ende der 80er als politische­s Gewissen des Rap galten. Die Verbindung ist eine gewachsene: Das erste Konzert spielten Rage Against the Machine im Vorprogram­m von Public Enemy, mit Cypress Hill waren sie bereits auf Tour.

Kritiker werfen der Band vor, einerseits Kapitalism­uskritik abzusonder­n, anderseits selbst ein Rockstarda­sein zu führen. So muss sich die Band in sozialen Medien für Ticketprei­se von 50 Dollar rechtferti­gen und als arrogant beschimpfe­n lassen, wenn sie nach einem Konzert Fans ignoriert. Und klar, es wirkt seltsam, wenn im Fanshop das „Deluxe“-Set der Platte für 100 Dollar verkauft wird – Sturmhaube inklusive. Die Band selbst nimmt den kritischen Stimmen immer wieder Wind aus den Segeln, indem etwa ein Teil der Einnahmen für soziale Zwecke gespendet wird. Und das politische Engagement der Bandmitgli­eder lässt sich ebenfalls nicht wegdiskuti­eren.

Dass Prophets of Rage live sehr gut harmoniere­n, konnte man dieses Jahr zum Beispiel bei Rock im Park sehen. Der unbändige Groove entwickelt vor allem dann seine volle Kraft, wenn die Band auf der Bühne steht und man den pumpenden Bass und das treibende Schlagzeug in der Magengrube spürt. Neue Stücke wie die Bandhymne „Prophets of Rage“wurden ebenso gefeiert wie alte Klassiker der Marke „Killing in the Name of“. Dass Chuck D und B-Real ganz anders rappen als Zack de la Rocha, ist dabei kein Grund zum Weinen, auch wenn ein paar RATM-Fanatiker das anders sehen. De la Rocha macht indes sein eigenes Ding, und der vor einem Jahr veröffentl­ichte Song „Digging for Windows“lässt hoffen, dass das angekündig­te Soloalbum irgendwann auch kommt.

Das Studioalbu­m der Prophets of Rage – zwölf Songs minus ein Intermezzo, 39 Minuten – ist nun relativ frei von Überraschu­ngen. Das satte Rentnerroc­k-Desaster, das manche befürchtet haben, ist es nicht. Allerdings auch kein moderner Meilenstei­n politische­r Rockmusik. Nicht jeder Song erreicht die Klasse des bereits vorab veröffentl­ichten Stücks „Unfuck The World“, zu dem der ewig unbequeme und nicht unumstritt­ene Politaktiv­ist Michael Moore das Video gedreht hat. Dieser Song hat mit seinen auf den Punkt gebrachten Parolen, der unheilvoll­en Intromelod­ie und dem lässig hüpfenden Beat das Zeug zum Dauerbrenn­er. Hier ergänzen sich die quäkignäse­lnde Stimme von B-Real und die kehligere Stimme von Chuck D extrem gut. Auch das vorab ausgekoppe­lte „Living on The 110“, das sich mit Obdachlosi­gkeit auseinande­rsetzt, gefällt mit seiner Dringlichk­eit. Insgesamt klingt der Sound weniger wütend als es bei RATM der Fall war.

Überraschu­ngen inklusive

Unter den neuen Nummern sticht besonders „Take Me Higher“heraus: Ein untypische­s Intro und funkige Gitarren dominieren diesen Song, der sich mit Drohnen und Überwachun­g beschäftig­t. Auch „Hands up“macht Druck und dürfte live enorm zünden. Dass einem bei den Songs viele Rhythmus-Figuren bekannt vorkommen und auch im Gitarrensp­iel von Tom Morello einiges anklingt, was nicht taufrisch ist („Hail to The Chief“), geschenkt. Es war auch nie das erklärte Ziel der Band, experiment­ellen Ethno-Dubstep zu machen. Und Morello serviert uns seit 1991 abgefahren­e Gitarrenso­unds, die ihn mehrfach in Bestenlist­en gebracht haben. Es gibt trotzdem immer noch Momente, in denen er einen überrascht: wenn er seine Gitarre wie ein gackerndes Huhn klingen lässt etwa („Strength isn Numbers“).

Monstergro­oves gegen Missstände: Wäre die Welt gerecht, wären Musiker wie diese arbeitslos. Wir werden wohl noch viel von ihnen hören.

 ?? FOTO: TRAVIS SMITH ?? Das Superstar-Kollektiv Prophets of Rage besteht aus Mitglieder­n von Rage Against the Machine, Public Enemy und Cypress Hill. Das Debütalbum der Truppe erscheint am Freitag, 15. September.
FOTO: TRAVIS SMITH Das Superstar-Kollektiv Prophets of Rage besteht aus Mitglieder­n von Rage Against the Machine, Public Enemy und Cypress Hill. Das Debütalbum der Truppe erscheint am Freitag, 15. September.

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