Die offenstehende Narbe im Donautal
Eine Ausstellung im Museum Oberes Donautal erinnert den Erdrutsch von 1960
- Am frühen Morgen des 17. Oktober 1960 wurde die Bronner Mühle zwischen Fridingen und dem Jägerhaus durch einen Erdrutsch restlos zerstört. Drei Menschen kamen dabei ums Leben. Nun erinnert das Museum Oberes Donautal an das Unglück.
Es sind zwei besonders ergreifende Anekdoten des Vortragenden Wolfgang Wirth, die das Publikum bei der Ausstellungseröffnung förmlich erschaudern lassen: Der Müller Hugo Frey, der mit seiner Familie die Bronner Mühle im Donautal zwischen Fridingen und Beuron bewohnte und genau dort in den Schuttmassen eines nie dagewesenen Erdrutsch starb, schlenderte wenige Zeit vor der Naturkatastrophe über den Fridinger Friedhof, als ihm der Totengräber scherzeshalber zurief: „Hugo, suchst du dir ein Grab aus?“Woraufhin der Müller trocken antwortete: „Ich werde kein Grab brauchen. Mich begräbt Mal der Berg!“
Und vier Tage vor dem Unglück wird Frey zudem folgendermaßen zitiert: „Bei mir auf dem Hof stimmt etwas nicht. Ich hör keine Tiere mehr!“Die Ratten und Mäuse, die sonst die Mühle bevölkerten, hatten die heran nahende Katastrophe gespürt und die Flucht ergriffen. Ähnliches wird auch im Bezug zu katastrophalen Tsunami im Jahr 2004 nach einem Erdbeben im indischen Ozean beschrieben. Damals waren die Singvögel aus den Küstenregionen verschwunden - lange bevor die Wassermassen anrollten.
Einzigartier Fundus an Fakten
Die eingangs geschilderten Geschehnisse stehen beinahe symptomatisch für Wirths außergewöhnlichen Vortrag. Über 30 Jahre hat sich der Heimatforscher mit dem Unglück der Bronnermühle auseinandergesetzt und dabei einen einzigartigen Fundus an Fakten, Exponaten, Bildern und Aussagen von Zeitzeugen gesammelt. Ebendieser ist nun im Museum Oberes Donautal zu sehen und beschreibt dabei viel mehr als den bloßen Schrecken des Unglücks.
Wirths große Leistung ist das Verknüpfen der unterschiedlichsten Geschichtsstränge rund um jene verhängnisvolle Nacht, in der neben Hugo Frey und dessen Frau Paula auch ihr Sohn Walter ums Leben kam. So beschrieb Wirth in seinem Vortrag zur Eröffnung die Historie der Mühle selbst, erzählte vom Leben der Müllersfamilie über mehrere Generationen und zeichnete ein detailliertes Bild der damaligen Zeit. Sowohl im Vortrag, wie auch in der Ausstellung, offenbarte sich so die einzigartigen Möglichkeiten der Mikrogeschichte, die sich abseits aller historischer Großereignisse dem wahren Leben mit all seinen Eigenheiten widmet.
So entwickelt die Aufarbeitung des Erdrutsch und der Bronnermühle mit all ihren Details einen fast literarischen Sog, der besonders fasziniert, weil das Unglück abseits aller Tragik sein eigenes kleines Wunder schrieb: Die Tochter des Müllers, damals sechs Jahre alt, könnte aus den Trümmern der Mühle gerettet werden.
Und so ist die Bronner Mühle bis heute ein Mythos, den Großväter bei der Wanderung durchs Donautal ihren Enkeln erzählen, wenn sie jene erdige Narbe passieren, die untypisch für vergleichbare Erdrutsche bis heute offensteht. Dieses Andenken einerseits respektvoll zu behandeln und andererseits komplex aufzuarbeiten ist Wolfgang Wirth in Zusammenarbeit mit Museumsleiter Armin Heim mit Bravour gelungen.