Die Anklägerin sorgt für einen Paukenschlag
Im Prozess um versuchten Mord an einer Einzelhändlerin weist Verteidiger geforderte lebenslange Strafe zurück
- Damit hat auch Verteidiger Bernd Behnke nicht gerecht: Staatsanwältin Michelle Mayer forderte am Montag vor dem Landgericht Rottweil eine lebenslange Haftstrafe gegen den Mann, der am 10. November des vergangenen Jahres einen Dessous-Laden in der Tuttlinger Fußgängerzone überfallen und die Besitzerin lebensgefährlich verletzt hatte. Behnke plädierte auf sechs Jahre wegen schwerer Körperverletzung.
„Der Täter wollte die Frau töten. Nur so ist sein äußerst brutales Vorgehen zu erklären“, sagt die Staatsanwältin. Der 37-jährige Mann habe planvoll, zielgerichtet und bewusst gehandelt. Seine Angaben, er sei extrem unter Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden, sei von allen Zeugen „eindeutig widerlegt“worden. Niemand habe irgendwelche Ausfallerscheinungen wahrgenommen.
Die Anklägerin ließ keinen Zweifel am Ablauf der Tat: Zunächst habe der Angeklagte gewartet, bis er allein mit der Verkäuferin im Geschäft gewesen sei, dann habe er sie von hinten mit einem Elektroschocker angefallen, zu Boden gerissen, ihr zwei 8,5 und 5,5 Zentimeter lange und tiefe Schnitte in den Hals versetzt, mit beiden Händen in die Wunden gefasst, sie gewürgt, an den Haaren in den Nebenraum gezogen, um nicht gleich entdeckt zu werden und schließlich mit einer Metallstange auf sie eingeschlagen. „Das Opfer hatte mit dem Leben abgeschlossen“, sagte die Staatsanwältin.
Geständnis positiv zu werten
Positiv zu werten seien das Geständnis zum Prozess-Auftakt und die Entschuldigung bei der Verkäuferin, aber das werde überlagert durch die skrupellose und kaltblütige Tat plus 17 Vorstrafen mit zuletzt vier noch offenen Bewährungen. Deshalb lebenslänglich wegen versuchten Mordes und schweren Raubs. Diese Forderung traf Verteidiger Bernd Behnke sichtlich unvorbereitet. Er betonte, eine Tötungsabsicht sei „in keiner Form nachgewiesen“. Behnke verwies auf das schwierige Leben des Angeklagten – ohne Elternhaus und ersten Kontakten zu Drogen und Straftaten im Alter von zwölf Jahren und erinnerte an eine Aussage des Gutachters: „Dem hat man noch nie geholfen.“
Beim Überfall sei der Täter unter dem Einfluss von Schlafentzug, Drogen und Alkohol gestanden. So sei es zu einer „affektiven Situation“gekommen. Er habe das Opfer lediglich „bewegungsunfähig“machen wollen. „Niemand“könne widerlegen, dass er „ in seinen Wahrnehmungen und Reaktionen erheblich beeinträchtigt war und einen Blackout hatte“.
Es handle sich um ein schweres Verbrechen mit schlimmen Folgen für die Frau, sagte Behnke, aber das dürfe nicht dazu führen, „einen Menschen zu ruinieren“. Nichts anderes würde lebenslänglich bedeuten. Der Verteidiger verwies darauf, dass sein Mandant bereits in der Untersuchungshaft einen „kalten Entzug“vollzogen habe, dass er therapiewillig und –fähig sei und plädierte auf sechs Jahre Haft in einer Entzugsanstalt wegen schwerer Körperverletzung.
„Nichts mehr, wie es war“
Die Nebenklägerin schloss sich mit ihrer Forderung der Staatsanwältin an. „Im Leben meiner Mandantin ist nichts mehr, wie es war“, sagte sie. Ob diese die vom mittellosen Angeklagten angebotene Entschädigung in Form einer Teilzahlung von 10 000 Euro jemals erhalten werde, sei „höchst fraglich“. Der 37-Jährige hatte das letzte Wort. Sichtlich beeindruckt von der drohenden Höchststrafe, entschuldigte er sich noch einmal beim Opfer und beteuerte: „Ich wollte sie nicht umbringen.“