Chaos bei Air Berlin durch kranke Piloten
Hundert der für Dienstag geplanten 750 Flüge wurden gestrichen, weil sich 200 Piloten krankgemeldet hatten
(dpa/sz) Die Krise bei Air Berlin hat auch Folgen für Reisende an den Flughäfen in Stuttgart und München. 34 Starts und Landungen seien am Dienstag ausgefallen, teilte der Stuttgarter Flughafen mit. In München wurden acht der 35 vorgesehenen Starts annulliert. Bundesweit fielen rund 100 der geplanten 750 Flüge aus. Ursache war nach Angaben des Unternehmens, dass sich 200 der rund 1500 Piloten quasi gleichzeitig krankmeldeten. Ob es auch heute zu Flugausfällen kommen wird, blieb offen.
(dpa) - Mehr als 100 Flugausfälle wegen kranker Piloten bei Air Berlin am Dienstag verschärfen nach Angaben des Unternehmens die Lage der insolventen Airline. „Der heutige Tag kostet uns mehrere Millionen Euro“, teilte Vorstandschef Thomas Winkelmann mit. Ein stabiler Betrieb sei zwingende Voraussetzung dafür, dass die Verhandlungen mit Kaufinteressenten gelingen. Bisher seien die Beschäftigten professionell mit der schwierigen Situation umgegangen. „Das, was wir jedoch heute bei einem Teil der Belegschaft sehen, ist ein Spiel mit dem Feuer.“
Rund 200 der 1500 Piloten hatten sich krank gemeldet, viele nach Unternehmensangaben erst unmittelbar vor dem Flug. Der Generalbevollmächtigte Frank Kebekus warnte: „Wenn sich die Situation nicht kurzfristig ändert, werden wir den Betrieb und damit jegliche Sanierungsbemühungen einstellen müssen.“
Nach Informationen der Zeitung „B.Z.“verliert Air Berlin durch die Ausfälle vom Dienstag vier bis fünf Millionen Euro. Hinzu kämen drei bis vier Millionen Euro Verlust, die die Fluggesellschaft ohnehin pro Tag schreibe.
Die „Bild“-Zeitung hatte über eine „Piloten-Revolte“berichtet. Grund dafür soll dem Bericht zufolge eine Auseinandersetzung über den Übergang von Piloten der insolventen Airline auf den potenziellen neuen Käufer sein. Die Vereinigung Cockpit widersprach: „Zu keinem Zeitpunkt hat die VC dazu aufgerufen, sich krank zu melden“, teilte die Pilotengewerkschaft mit.
Die Krise bei Air Berlin hat Folgen auch für Reisende am Stuttgarter Airport. 34 Starts und Landungen seien dort am Dienstag ausgefallen, teilte der Stuttgarter Flughafen mit. Vier davon seien von Air Berlin gewesen und 30 von Eurowings/Germanwings. Air Berlin betreibt Flugzeuge im Auftrag von Eurowings. Die Verbindungen, die am Dienstag in Stuttgart betroffen waren, gingen unter anderem nach Berlin, Hannover, Wien, Amsterdam, Mailand und Nizza. Auch heute drohen Dutzende Flugausfälle. Es lagen für Mittwoch 149 Krankmeldungen vor. Ein Flughafen-Sprecher riet Passagieren, vor ihrem Abflug den Status ihrer Flüge auf der Airport-Webseite zu überprüfen. Eine Eurowings-Sprecherin sagte, man werde schnell Maßnahmen ergreifen, etwa den Einsatz von Reserveflugzeugen oder die Umbuchung der Passagiere auf andere Flüge oder die Bahn.
Von den Turbulenzen bei der insolventen Air Berlin ist auch der Flughafen in München betroffen. Die Fluggesellschaft annullierte am Dienstag acht der 35 vorgesehenen Starts am zweitgrößten deutschen Flughafen. In Nürnberg gab es, abgesehen von Verspätungen, keine Beeinträchtigungen der zehn planmäßigen Abflüge.
Die verlustreiche Air Berlin hatte Mitte August Insolvenz angemeldet, nachdem ihre arabische Großaktionärin Etihad die Zahlungen an die Berliner eingestellt hatte. Noch bis zum 15. September können Kaufangebote für die Fluggesellschaft abgegeben werden.
„Angst und Wut“
Bei Air Berlin arbeiten rund 8000 Beschäftigte, die bei einem Verkauf einzelner Teile oder des Unternehmens als Ganzes nichts mitentscheiden können. „Angst und Wut der Air Berliner eskalieren, weil es hier um Existenzen ganzer Familien geht“, erklärt die Gewerkschaft Verdi. Die kollektive Krankmeldung als Ausdruck dieser Angst und Wut sei zwar „offensichtlich rechtlich unzulässig“, sagt der Berliner Arbeitsrechtler Robert von Steinau-Steinrück. Wer sich krankmeldet, ohne es zu sein, begeht Vertragsbruch und kann außerordentlich gekündigt werden. Der Arbeitgeber jedoch hat wenig Möglichkeiten zur Überprüfung: Er muss im Einzelfall für jeden Arbeitnehmer nachweisen, dass eine Krankmeldung nur fingiert war, wie Arbeitsrechtler Thüsing betont.