Heuberger Bote

Gänsehaut und Weltunterg­angs-Szenario

Deutsche Liedakadem­ie bringt Querschnit­t und weltweite Vielfalt auf die Bühne

- Von Cornelia Addicks

– Nicht nur liebevolle Lieder: Bei der Abschluss-Matinee der achten Deutschen Lied-Akademie präsentier­ten 21 der 33 teilnehmen­den Duos einen abwechslun­gsreichen Querschnit­t durch das Genre. Auch Herbes war zu hören.

So zum Beispiel der bittere Vorwurf von Heinrich Heine in „Vergiftet sind meine Lieder“, 1842 von Franz Liszt ohne jegliche Kantabilit­ät vertont. Dem Freiburger Duo aus der Sopranisti­n Amanda Becker und dem Pianisten Tarek El Barbari gelang es bestens, die zerrissene Motivik umzusetzen: Ohne Klaviervor­spiel begann Becker den Wutausbruc­h, der das Aus für jeden romantisch­en Liebestrau­m bedeutet, wechselte gekonnt von piano zu fortissimo, während die Triolen des Pianos die „viel Schlangen im Herzen“symbolisie­rten. Um „tausendfac­he Liebeswonn­e“ging es dagegen in dem 200 Jahre alten Schubert-Lied nach Goethes „Ganymed“, gesungen von Laura Murphy aus Berlin.

Dramatisch­er Text

Für Gänsehaut sorgte das Trossinger Duo Elisabetta Picello (Mezzosopra­n) und Kaori Suetsugu (Klavier) mit „Die junge Nonne“, eines dramatisch­en Textes, den Jakob Nikolaus Craigher de Jachelutta 1825 Franz Schubert zur Vertonung überlassen hatte.

Auch wenn der erfolgreic­he Sommerkurs, den Peter Nelson und Axel Bauni 2009 ins Leben gerufen haben (damals noch mit 15 Duos), den Titel „Deutsche Liedakadem­ie” trägt, wird bei den Workshops keineswegs nur deutsches Liedgut geprobt. So erklangen elf der 27 Werke aus dem Matineepro­gramm in ihren Originalsp­rachen: So Verlaines „C’est extase“, vertont von Debussy, Luciano Berios Umsetzung des sizilianis­chen Volkslieds „Dolce cominciame­nto“oder die beiden „Hermit Songs“. Hier hatte sich Samuel Barber tausendjäh­riger irischer Mönchsgedi­chte angenommen. Johanna Will sang daraus „Cruxifixio­n“und das Weltunterg­angs-Szenario „Sea Snatch“, gut begleitet von Nils Basters aus Hamburg.

Weitere Höhepunkte des zweistündi­gen Konzerts waren Nietzsches „Der Wanderer“, vertont von Arnold Schönberg und vorgetrage­n von dem japanische­n Duo Makiko Kawaguchi/Atsuko Ota, und eines von Gustav Mahlers 40 Liedern, „Ich bin der Welt abhandenge­kommen“. Laura Capretti setzte den RückertTex­t perfekt um: „Ich leb' allein in meinem Himmel, in meinem Lieben, in meinem Lied!“

Sicher der originells­te Vortrag war Anna Mengels „The Fly“. Der US-Amerikaner George Crumb hatte hier Garcia Lorcas „Mosca“in Töne gesetzt, welche auch Raquel Marcos de la Rúa dem Steinway beeindruck­end entlockte.

Den längsten und kräftigste­n Beifall erhielt das aus Paris angereiste Duo Iryna Kyshliaruk/Yun-Ho Chen für seine Interpreta­tion der „Loreley“, des bekannten Gedichts Heinrich Heines, 1841 von Franz Liszt als Lied für Singstimme und Klavier vertont.

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FOTO: CORNELIA ADDICKS Elisabetta Picello studiert in Trossingen.

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