Damit das Kreuz da landet, wo es hin soll
Mit der Blindenschablone können Sehbehinderte geheim und unabhängig wählen
- Gabriele Lenz will am Sonntag wählen gehen. Doch sie sieht weder den Stimmzettel, noch die Kabine, in der sie ihr Kreuz setzen soll. Die Tuningerin ist blind. Deswegen hat sie vom Sehbehindertenverband eine Schablone bekommen, mit der blinde und sehbehinderte Menschen geheim und unabhängig wählen können. „Wenn das eine Begleitperson macht, woher weiß ich, dass sie das Kreuz wirklich dahin setzt, wo ich es will?“
Die Schablone ist ein langer stabiler Karton, den man aufklappen kann. Sie sieht genauso aus, wie der Stimmzettel, den Lenz bei der Wahl am Sonntag bekommt und einlegen muss. Doch statt Namen und Parteien sind lediglich Nummern in Blindenschrift und erhabener Druckschrift zu sehen. Lenz muss sich nur merken, welche Nummer sie bei der Erst- und welche sie bei der Zweitstimme wählen möchte.
Mithilfe einer beigelegten CD können blinde und sehbehinderte Menschen bereits im Vorfeld die Namen der Kandidaten und Parteien hören und sich die passenden Nummern der Partei und des Kandidaten merken, die sie wählen wollen.
„Es wird alles ganz genau erklärt. Ich muss am Sonntag einfach die Löchlein zählen und weiß, wo ich mein Kreuz machen muss.“Durch die Löcher in der Schablone landet ihr Kreuz dann an der richtigen Stelle auf dem Stimmzettel.
Ärger in der Wahlkabine
Die Schablonen in Baden-Württemberg werden von Blinden- und Sehbehindertenverbänden erstellt. Das Landratsamt Tuttlingen verteilt die Schablonen kostenlos an alle Sehbehinderten, die einen Schwerbehindertenausweis haben. „Das wurde 2002 durch Betroffene angestoßen, weil sie nicht ohne Hilfe wählen konnten“, sagt Micha Knebel vom Blinden- und Sehbehindertenverein Südbaden.
Gabriele Lenz hat vorher noch nie mit Schablone gewählt. Bisher hat ihr Mann sie immer begleitet und das Kreuz für sie gesetzt, doch das gab oft Ärger. „Die Wahlhelfer haben dann immer gesagt, dass mein Mann nicht mit rein dürfe. Aber sonst hätte ich ja wieder gehen müssen“, erzählt Lenz. Mit der Schablone sollte dieses Problem gelöst sein.
Die Mobilität sei aber weiterhin eine Herausforderung, sagt die Tuningerin. Denn nicht jeder hat wie sie einen Blindenhund und kann ohne Begleitperson zum Wahllokal gelangen. „Und es muss natürlich jemand helfen, damit ich in die Wahlkabine komme“, ergänzt Lenz. Sobald sie dann aber allein ist, kann sie ihr Kreuz selbstständig machen.
Dennoch vermutet sie, dass die meisten die Schablone wegwerfen, gar nicht, oder mit einer Hilfsperson wählen gehen. Das bestätigt sich auch bei ihrer Arbeit als Vorsitzende der Selbsthilfegruppe für blinde und sehbehinderte Menschen im Landkreis Tuttlingen. Viele würden keinen CDPlayer besitzen oder nicht bedienen können. „Es werden sich einige scheuen und denken: Ich brauche so lang in der Kabine und die hinter mir warten“, vermutet Lenz.
Doch der Blindenverband Südbaden empfiehlt genau das: „Man sollte sich im Wahllokal zeigen und den Wahlhelfern signalisieren, dass es Hilfsmittel gibt und dass sie eingesetzt werden“, sagt Knebel. Gabriele Lenz wird dieses Signal am Sonntag setzen.