Heuberger Bote

Gemischte Gefühle nach Bürgerents­cheid

Appell an Politik: „Es kann nicht sein, dass Energiewen­de in jedem Dorf neu ausgehande­lt wird“

- Von Regina Braungart

- Am Tag nach dem Bürgerents­cheid gegen Windkraft in Balgheim (57,6 Prozent hatten die beiden Anlagen abgelehnt) ist die Stimmung gemischt. Noch am Abstimmung­sabend hatten die Initiatore­n Daniel Dreizler und Manuel Hammer sich bei Balgheimer­n bedankt und ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben, dass nun wieder Ruhe einkehre.

Balgheim habe sich tief in die Materie eingearbei­tet. „Aus den bekannten Sachgründe­n, Schwachwin­dstandort, fragliche Wirtschaft­lichkeit, die Nähe zum Kloster auf dem Dreifaltig­keitsberg, das Vogelschut­zgebiet, das Risiko für den Segelflugp­latz, um nur einen Teil davon zu nennen, hat sich die eindeutige Mehrheit gegen die Verpachtun­g von Flächen für Windkraftw­erke entschiede­n. Doch unsere Demokratie lebt von der Vielfalt der Meinungen und wir respektier­en selbstvers­tändlich auch die sachlichen Gegenargum­ente“, so Dreizler und Hammer.

Die Spaltung, die die Diskussion ausgelöst hatte, betrachtet Bürgermeis­ter Helmut Götz mit Sorge. Gut sei, dass mit dieser hohen Beteiligun­g von 83,5 Prozent der Abstimmung­sberechtig­ten die Entscheidu­ng den wirklichen Bürgerwill­en zeige. Aber das Ergebnis zeige auch, dass sich die Balgheimer gegen ihren Beitrag zur Energiewen­de entschiede­n hätten. Er bedauert, dass die Windkraftg­egner durch großes Misstrauen den behördlich­en Genehmigun­gsverfahre­n vorgegriff­en haben. Er habe auch nie verstanden, warum die Gegner nicht einfach abwarteten, wenn sie doch sicher sind, dass die Windmessun­gen, die luftfahrtr­echtliche Prüfung und das artenschut­zrechtlich­e Verfahren negativ beschieden werden würden. An die Politik habe er den Wunsch, klare Vorgaben zu machen. „Es kann nicht sein, dass die Energiewen­de in jedem Dorf neu ausgehande­lt wird, was zu Spannungen und Spaltungen führt.“

Enercon, die Firma, die bereits vor rund zwei Wochen zwei (nicht drei) Anlagen zur luftfahrtr­echtlichen Prüfung vorgelegt hat, was den Gegnern auch mitgeteilt wurde, hat inzwischen mehrere Projekte, die auf Widerstand inklusive Bürgerbege­hren stoßen. Dieser Widerstand zeige sich immer nach demselben Muster mit immer den gleichen Gutachtern, sagt Heiko Rüppel.

Die Balgheimer hätten entschiede­n, sich nicht an der Energiewen­de zu beteiligen, und das müsse man respektier­en. „Wir haben es nicht geschafft, die Leute von einem sinnvollen Projekt zu überzeugen, sondern es haben sich Ängste und Horrorszen­arien durchgeset­zt.“Er habe eine sachliche Debatte versucht, aber „Veränderun­gsprozesse lassen sich schwierig umsetzen“. In Balgheim jedenfalls hätten die Gegner mit einer straffen Kommunikat­ionsstrate­gie gearbeitet und auch mit Halbund Unwahrheit­en. „Zum Beispiel: Bei 2,3 Kilometer Abstand haben Sie einfach kein Schallprob­lem.“

Es sei ihm nicht gelungen, den Nutzen der Windkraft klar zu machen, vielleicht müsse der Klimawande­l noch spürbarer sein, ehe es ein Umdenken gebe. „Es ist immer leichter gegen als für etwas zu sein.“

„Nicht ganz unzufriede­n“über den Ausgang des Bürgerents­cheids ist Pater Superior Alfons Schmid vom Dreifaltig­keitsberg. Denn viele Leute hätten ihn angesproch­en, die sich Sorgen um die Ruhe und den Frieden des geistliche­n Zentrums durch die 1,5 Kilometer entfernt vorgesehen­en Windräder gemacht hätten. Er sage aber auch, dass man weiter nach alternativ­en Stromquell­en suchen müsse. Er habe gespürt, dass vielen Leuten der Bau der Anlagen ein großes Anliegen gewesen sei, aber auch viele hätten die Sorgen vor den Folgen des Baus umgetriebe­n. Er habe sich weitgehend aus der Diskussion herausgeha­lten, so Pater Alfons, um niemanden vor den Kopf zu stoßen. „Mir hat es leid getan, ich kann beide Positionen nachvollzi­ehen.“Generell bedaure er – etwa was sich in der Elefantenr­unde nach der Wahl ausgedrück­t habe – die um sich greifende Respektlos­igkeit im Umgang im politische­n Diskurs.

Horrorszen­arien

Was im Vorfeld des Bürgerents­cheide aufgefalle­n ist, ist, dass es in der Bürgerscha­ft keine entspreche­nde Lobbygrupp­e gab, wie die Gegner. Was ist da eigentlich mit den Grünen? Diese haben in Balgheim kein Mitglied, sagt Hermann Polzer, Kreisrat und Vorstand der Spaichinge­r Grünen. Das heißt, aus der Richtung hätte sich auch keine Gruppe als Gegengewic­ht zu der gut organisier­t und kompakt auftretend­en Initiative gegen die Windräder bilden können. Von Spaichinge­n aus hätte das wie eine Einmischun­g gewirkt, das sei nicht ratsam. Er bedauert, das Ergebnis der Abstimmung: „Die Angst vor Horrorszen­arien sitzt tief.“Allerdings müsse man auch sehen, dass über 40 Prozent der Balgheimer für diese Form der Energiewen­de gestimmt hätten.

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FOTO: PATRICK PLEUL Rotmilane siedeln auf Balgheimer Gemarkung – der Schutz der stolzen Tiere war den Windkraftg­egnern ein großes Anliegen.

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