Heuberger Bote

„Luther war alles andere als ein Freigeist“

Kirchenhis­toriker Johannes Wischmeyer wirft einen Blick auf die Schattense­iten des Reformator­s

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(irwe) - Die eher unbekannte­n Schattense­iten des Reformator­s Martin Luther hat Kirchenhis­toriker Johannes Wischmeyer in seinem Vortrag im Trossinger Johannes-Brenz-Gemeindeha­us am vergangene­n Freitag beleuchtet. Er widmete sich dem Thema „Bauernhass und Judenfeind­schaft: Martin Luther, der Ordnungsfa­natiker“.

„Das sind zwei Themen, die auf den ersten Blick nicht so furchtbar eng zusammenge­hören“, eröffnete Wischmeyer, doch die Zusammenhä­nge wurden im Laufe des Vortrags immer klarer. Für Wischmeyer wichtig in der Beschäftig­ung mit der Geschichte: „Wir müssen das grau in grau betrachten, nicht schwarz und weiß“. Dazu gehört es, auch die Schattense­iten der Person Luthers zu betrachten, die laut Wischmeyer besonders im „Festhalten an Bestehende­m“zu finden sind.

„Luther war alles andere als ein Freigeist“, betont der Kirchenhis­toriker. In seinem Weltbild gab es zwei Ordnungen: Die gesellscha­ftliche, weltliche Ordnung, die für Luther praktisch unverrückb­ar feststeht, und auch Gottes Willen entspricht, und die göttliche Ordnung, die allein auf den Schriften der Bibel basiert.

Dieser Ordnungsge­danke von Luther bestimmte auch seine Haltung zu den Bauernaufs­tänden um 1525. In einem ersten Dokument rief Luther zur Gewaltlosi­gkeit auf und ermahnte beide Seiten zu einer Einigung. Doch nach der Eskalation des Konflikts und der immer größer werdenden Gewalt stellte sich Luther klar auf die Seite der Fürsten und Herrscher. „Die Bauern blieben für Luther immer Untertane“erläuterte Wischmeyer.

„Was hier in wenigen Monaten mit Luthers Einstellun­g passierte, dauerte bei unserem zweiten Thema viele Jahre“, zog er die Parallele zu Luthers Einstellun­g zum Judentum.

Von Offenheit zu Vorurteile­n

In der damaligen Zeit war Antijudais­mus in der Gesellscha­ft und auch der Gesetzgebu­ng weit verbreitet. „Luther hatte nur wenig persönlich­e Begegnunge­n mit Juden“, erklärte Wischmeyer, denn im Kurfürsten­tum Sachsen gab es sehr einschränk­ende Gesetze. 1523 zeigte Luther noch eine relativ offene Haltung, mit der er eine Aufhebung der Zunftsverb­ote forderte und die damaligen Vorurteile und Gerüchte als „Narrenwerk“bezeichnet­e.

Doch in seinen letzten Lebensjahr­en schlug diese um und seine Schriften aus dieser Zeit sind mit Vorurteile­n und Beleidigun­gen übersät. Mit einem Blick auf den Umgang der nachfolgen­den Theologen mit dieser Thematik schloss Wischmeyer seinen lehrreiche­n Vortrag, mit dem er das Publikum gefesselt hatte.

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FOTO: IRMGARD WEISS Kirchenhis­toriker Johannes Wischmeyer

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