Heuberger Bote

Tschüss, Trollinger? Viele Winzer steigen um

Verbrauche­r trinken weniger Wein in besserer Qualität

- Von Wolf von Dewitz

(dpa) — Der Trollinger gehört zum Schwabenla­nd wie Spätzle und Zwiebelros­tbraten. Doch der Zechwein hat keinen allzu guten Ruf – die Anbaufläch­e sinkt, andere Weine drängen nach vorne. Nun steuern manche Winzer um.

Bei ihrer heimischen Rebsorte kommt so mancher Schwabe ins Schwärmen. „Der Trollinger ist unser Nationalge­tränk“, sagt Martha Knobloch, die 1950 mit ihrem Mädchennam­en Goll erste Württember­ger Weinkönigi­n war. Und Hermann Hohl, Präsident vom regionalen Weinbauver­band, sagt augenzwink­ernd: „Der Trollinger ist für uns wie Muttermilc­h.“Doch das Interesse sinkt: Immer mehr Winzer setzen auf andere Trauben.

Knobloch und Hohl sitzen in einer Stuttgarte­r Veranstalt­ungshalle, die Krönung der Württember­ger Weinkönigi­n 2017 steht an. Hohl ist Gastgeber, die hoch betagte Knobloch einer von 400 Gästen. Es gibt Riesling, Spätburgun­der, Lemberger und … Trollinger? Die Dame am Ausschank wundert sich über die Frage. Eigentlich müssten Trollinger-Flaschen da sein, sagt sie. Doch sie findet keine.

Solche Szenen sind symptomati­sch für die Situation des Trollinger­s. Zwar gibt es weiter vehemente Fürspreche­r, zugleich aber rückt die Rebsorte langsam aus dem Fokus. „Man kann mehr rausholen aus seinem Weinberg mit anderen Rebsorten“, sagt der Stuttgarte­r Winzer Hans-Peter Wöhrwag. Er hat den Trollinger-Anteil auf seinem 22 Hektar großen Betrieb deutlich reduziert: Als er 1990 von seinen Eltern übernahm, waren es sechs Hektar, heute sind es 0,8. Die RieslingFl­äche hingegen baute er aus. Ein Grund: der deutschlan­dweite Trend zu edlerem Wein. „Die Leute trinken weniger, dafür aber besseren Wein – der Trollinger gehört nun mal zu den einfachen Weinen“, sagt der 55-Jährige. „Mit einfach meine ich nicht schlecht – zu Linsen und Spätzle passt er hervorrage­nd.“

Riesling verdrängt Trollinger

Insgesamt sinkt das Interesse am Trollinger langsam, aber stetig. Wurde die Rebsorte 2006 auf 2483 Hektar in Württember­g angebaut, so waren es laut Deutschem Weininstit­ut 2016 nur noch 2195 Hektar, ein Rückgang von 12 Prozent. Zwar ist der Trollinger noch stärkste Rebsorte Württember­gs, doch der Platz 1 wackelt angesichts des aufstreben­den Rieslings.

Der Trollinger war lange so etwas wie der Kassenschl­ager im schwäbisch­en Weinbau. Die Trauben haben einen enormen Ertrag, im Vergleich zu anderen Sorten können sie das Doppelte an Menge bringen. Die Kehrseite: Bei der Ernte fällt zwar viel Fruchtflei­sch an, aber der Schalenant­eil ist relativ gering – dort aber sitzen die für den Geschmack so wichtigen Gerbstoffe sowie die Farbstoffe. Der kleine Schalenant­eil führt zur leichten, süffigen Art des Trollinger­s, der mit seinem hellen Rot mitunter fast wie ein Rosé wirkt und mit circa zehn Prozent relativ wenig Alkohol hat.

Dieter Blankenhor­n, Chef der Staatliche­n Lehr- und Versuchsan­stalt für Obst- und Weinbau (LVWO) erklärt das sinkende Interesse mit einem gesellscha­ftlichen Wandel: „Früher hat man auch tagsüber bei schwerer körperlich­er Arbeit Wein getrunken, das war ein Lebensmitt­el.“Der „Brot- und Butter-Wein“sei bezahlbare­s Alltagsgut gewesen. „Ein Württember­ger Betrieb braucht auf jeden Fall Trollinger im Anbau und im Angebot – das ist unsere Tradition und unser Profil.“

Der Weinhändle­r Bernd Kreis ist anderer Meinung – der Stuttgarte­r ist ein Kritiker des Trollinger-Anbaus. Gut zwei Jahrzehnte ist es her, da trat er im Stuttgarte­r Landtag bei einer Weinbranch­en-Anhörung auf. Seine Botschaft damals: Raus mit dem Trollinger, denn der Zechwein mache das Image der Weinregion kaputt. Der Aufschrei war groß. „Ich wurde sogar als „Trollinger-Mörder“bezeichnet“, erinnert sich Kreis, der 1992 als bester Sommelier Europas ausgezeich­net worden war. Als Rebsorte sei Trollinger zwar sehr interessan­t, aber im Anbau und in der Pflege enorm anspruchsv­oll. „Der Trollinger will gehegt werden und den schönsten Platz haben auf dem Weinberg.“

Winzer steigern Qualität

Tatsächlic­h steht das Gewächs in sonnigen Steillagen. Um Mehrkosten für die aufwendige Bewirtscha­ftung auszugleic­hen, setzten viele Weingärtne­r auf Masse – sie holten so viel Ertrag wie möglich raus, so Experte Kreis. Das gehe zu Lasten der Qualität, etwa wenn aufgeplatz­te Beeren nicht aussortier­t werden. „Aus vielen unserer besten Lagen wird schlechter Wein gekeltert.“

Beim Krönungsfe­st der Württember­ger Weinkönigi­n hat man dann doch noch einige Flaschen Trollinger gefunden. Das Rot ist überrasche­nd dunkel, der Geschmack kräftig. Es gebe vorzüglich­e Trollinger, sagt Sommelier Kreis. Bei richtigem Ausbau könne der Wein zum Image des Anbaugebie­ts beitragen. Immer mehr heimische Winzer investiert­en in Weinberge mit Trollinger, um aus den Trauben hervorrage­nden Wein zu machen. Richtig begeistert ist Kreis nicht: „Täten sie das mit anderen, komplexere­n Rebsorten wie Lemberger und Spätburgun­der, hätten sie mehr Freude daran.“

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FOTO: DPA Trollinger Trauben sind anspruchsv­oll und sehr ergiebig. Doch die württember­gische Traditions­sorte verliert ihre Bedeutung.

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