Armut gibt es auch in Tuttlingen
Ab 15. Oktober: Zum zehnten Mal soll eine Aktionswoche auf das Thema aufmerksam machen
- Zum zehnten Mal findet dieses Jahr in Tuttlingen eine Aktionswoche gegen Armut statt. Diese wird seit 2005 von der Liga Baden-Württemberg ausgerufen, um daran zu erinnern, dass auch in einem reichen Bundesland wie BadenWürttemberg Menschen am Existenzminimum leben.
Organisiert wird die Aktionswoche vom Arbeitskreis Armut, dem diverse Einrichtungen wie AWO, Caritas und DRK angehören. „Uns ist es wichtig, auf strukturelle Probleme von Armut aufmerksam zu machen“, sagt Doris Mehren-Greuter, Leiterin der AWO-Wohnsitzlosenhilfe. Natürlich gebe es auch immer eine individuelle Seite, doch die könne jeder selbst verändern. Die strukturellen Probleme, die Armut bedingen, eben nicht. „Wir wollen über den Tellerrand schauen, welche Ursachen und Formen von Armut es gibt.“
Gründe, um in Armut abzurutschen, gebe es viele, zählt MehrenGreuter auf. Wer zum Beispiel einen „schlechten Start im Leben“habe, weil beispielsweise die Eltern sich nicht kümmern oder Suchtprobleme haben, habe deutlich schlechtere Chancen, als diejenigen, die in ein gebildetes, fürsorgliches Elternhaus geboren werden. „Unser Grundnetzwerk ist die Familie“, sagt MehrenGreuter. Fällt dieses weg, wird es oft schwierig, sich wieder hochzurappeln. Auch Langzeitarbeitslosigkeit, Krankheit oder Drogenprobleme sind oft Ursachen für den finanziellen Abstieg. „Die Gründe bedingen sich meist gegenseitig“, sagt Dennis Kramer, Geschäftsführer der Bezirksund Kreisdiakoniestelle Tuttlingen. Und trotz einer derzeit guten Arbeitsmarktentwicklung – ja nahezu Vollbeschäftigung – bleibe „ein Sockel übrig“, in dem viele Hartz-IVEmpfänger „stecken bleiben“.
Lange Tafel für den Austausch
Doch von Armut seien nicht nur die betroffen, die Arbeitslosengeld II beziehen, sagt Kramer. Auch viele derjenigen, die im Niedriglohnbereich arbeiten oder alleinerziehend sind, leben finanziell am Existenzminimum. „Kinder sind ein Armutsfaktor“, sagt Kramer. Um auf die Situation dieser Menschen hinzuweisen, dafür gibt es die Aktionswoche.
Den Auftakt macht am Sonntag, 15. Oktober, ab 10.30 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst in Maria Königin. Am Mittwoch, 18. Oktober, wird es eine Filmveranstaltung für Schüler im Scala Kino geben, bei der der Film „Slumdog Millionär“gezeigt wird. Ihnen sei es wichtig, auch schon junge Menschen für das Thema zu sensibilisieren, sagt MehrenGreuter. Denn zum einen könnten sich viele gar nicht vorstellen, wie es sei, wenn einem das Geld ausgehe und zum anderen gerieten vor allem auch junge Menschen schnell mal in die Schuldenfalle. Ein häufiger Grund: Handyschulden.
Die Hauptveranstaltung findet dann am Donnerstag, 19. Oktober, ab 12 Uhr, in Form einer langen Tafel statt. Dazu wird ein Teil des Marktplatzes aufgestuhlt, mit Bierbänken und Pavillons. Und es wird Suppe ausgeschenkt – egal bei welchem Wetter. „Wir fordern die Menschen auf, sich dem Thema zu stellen, und eine Armutssuppe mit uns zu essen“, sagt Mehren-Greuter. Das Besondere an der Veranstaltung: Es sind sowohl Vertreter des Landkreises, der Stadt, der sozialen Einrichtungen, Ehrenamtliche, aber auch Betroffene dabei. „Der ein oder andere nutzt dann auch die Gelegenheit, um über seine Lebenssituation zu erzählen“, sagt Kramer. Anlässlich des kleinen Jubiläums werden die Vertreter der sozialen Einrichtungen an die zurückliegenden Motti, unter denen die Aktionswoche schon gestanden hat, erinnern und einen Schwarzund einen Weißblick darauf werfen. Das Motto dieses Jahr lautet übrigens: „Netzwerke gegen Armut und Ausgrenzung“.
Um die Sorgen auch mal hinter sich zu lassen, wird es am Freitag, 20. Oktober, eine Party mit der Band Rubin im Gemeindesaal Maria Königin geben. Los geht es um 20 Uhr. Zum Abschluss findet am Samstag, 21. Oktober, eine alternative Stadtführung statt. Treffpunkt ist um 10 Uhr am Diakonieladen (Obere Hauptstraße 9). Von dort aus geht es zu den Orten, „an denen sich Menschen aufhalten, die arm sind“, sagt Mehren-Greuter: zur städtischen Notunterkunft, der AWO Wärmestube und dem Tafelladen. Das solle aber „kein Zoo-Besuch“sein, sondern einen kleinen Einblick geben, was es heißt „unter diesen Umständen zu leben“.