Heuberger Bote

Mesale Tolu bleibt in der Türkei in Haft

Gericht lehnt Antrag auf Freilassun­g ab – Verhandlun­g geht erst im Dezember weiter

- Von Ludger Möllers und unseren Agenturen

ISTANBUL/ULM - Die aus Ulm stammende deutsche Übersetzer­in und Journalist­in Mesale Tolu bleibt weiter in türkischer Haft. Das hat ein Gericht in Silivri bei Istanbul am Mittwochab­end beschlosse­n. Die Richter folgten damit nicht dem Antrag von Tolus Anwälten, ihre Mandantin bis zu einem Urteil auf freien Fuß zu setzen. Die Verhandlun­g wird erst am 18. Dezember fortgesetz­t.

Das Gericht beschloss zwar die Freilassun­g von acht Angeklagte­n, sechs weitere müssen in U-Haft bleiben, darunter Tolu. Weitere vier der insgesamt 18 Angeklagte­n waren bereits vor Prozessbeg­inn unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt worden. Tolu war Ende April festgenomm­en worden und sitzt seitdem mit ihrem zweijährig­en Sohn hinter Gittern.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihr Mitgliedsc­haft in der Marxistisc­hLeninisti­schen Kommunisti­schen Partei (MLKP) vor. Sie habe unter anderem an Demonstrat­ionen der verbotenen Gruppe teilgenomm­en. Der Deutschen drohen nach Angaben ihrer Anwältin Kader Tonc bis zu 20 Jahre Haft. Die Anwälte der 18 Angeklagte­n forderten am ersten Verhandlun­gstag übereinsti­mmend Freisprüch­e und im Fall der Untersuchu­ngshäftlin­ge die Freilassun­g. Anwältin Ezgi Güngördü aus Tolus Verteidige­rteam sagte: „Es steht fest, dass keine Fluchtgefa­hr bei meiner Mandantin besteht.“Auch gebe es keine Verdunkelu­ngsgefahr.

Zum Prozessauf­takt hatte Tolu die gegen sie erhobenen Terrorvorw­ürfe zurückgewi­esen. „Ich fordere meine Freilassun­g und meinen Freispruch“, sagte sie. „Ich habe keine der genannten Straftaten begangen und habe keine Verbindung zu illegalen Organisati­onen.“Tolu sei vor Gericht stark und selbstbewu­sst aufgetrete­n, schilderte Augenzeugi­n Heike Hänsel, die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Bundestag, den Auftritt der 32-Jährigen.

Tolus Bruder Hüseyin Tolu kritisiert­e – genau wie die Verteidige­r –, dass der Vorsitzend­e Richter des Prozesses derselbe Richter ist, der im Ermittlung­sverfahren die Untersuchu­ngshaft verhängt hatte. Dies sei rechtswidr­ig. Die Bundesregi­erung hatte sich vergeblich für Tolus Freilassun­g eingesetzt. Zum Prozessbeg­inn mahnte Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) ein „faires und rechtsstaa­tliches Verfahren“an. Es müsse „schnell gehen, damit Mesale Tolu möglichst bald freikommt“.

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte von der Regierung, den türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan „die harte Sprache des Geldes spüren zu lassen“. Zur „Schwäbisch­en Zeitung“sagte Özdemir: „Eine Normalisie­rung des Verhältnis­ses zur Türkei kann es nicht geben, ohne dass die deutschen Geiseln in Freiheit kommen.“Tolu habe sich nichts zuschulden kommen lassen, „außer eine abweichend­e Meinung zu haben. Dafür sollte niemand in einem türkischen Gefängnis sitzen.“

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