Heuberger Bote

Die Hängeparti­e Hess geht weiter

Heillos überlastet­e Justiz macht das Wirtschaft­sverfahren zur Geduldspro­be

- Von Cornelia Spitz

- Eine heillos überlastet­e Justiz lässt die Aufarbeitu­ng des Bilanzskan­dals um den Villinger Leuchtenhe­rsteller Hess AG zur Hängeparti­e ausarten. „Der Abschluss des Insolvenzv­erfahrens ist gegenwärti­g nicht zu übersehen.“

Was der Insolvenzv­erwalter der Hess AG Villingen-Schwenning­en, Volker Grub, in einem Schreiben an die Gläubiger gelassen formuliert­e, ist dazu geeignet, Juristen auf die Palme zu bringen. Denn es ist nicht etwa die Komplizier­theit der Materie, die die Aufarbeitu­ng behindert, sondern die Überlastun­g der Gerichte.

„Das kommt einem Offenbarun­gseid der Justiz gleich“, sagt der Rechtsanwa­lt Grub ungeniert deutlich. „Die Prozesse kommen nur sehr schleppend voran“, schrieb er im Sommer an die Gläubiger. Hörbar frustriert erzählt er: „Wir warten überall.“Ob die Causa Hess verjährt, ehe sie verhandelt wird? „Es ist nicht unwahrsche­inlich, dass es irgendwann einmal im Sande verläuft“, gibt Grub zu. Es sei ja noch nicht einmal über die Zulassung der Anklage im Strafverfa­hren der Hess AG entschiede­n. Als Begründung führe die zuständige Richterin in Mannheim die „Überlastun­g der Wirtschaft­sstrafkamm­er“an.

Und bezüglich des Schadenser­satzprozes­ses in Karlsruhe beim Oberlandes­gericht sieht es nicht besser aus – dort haben die ehemaligen Hess-Vorstände gegen ein Urteil des Landgerich­ts Konstanz vom Juni 2017 auf Zahlung von Schadenser­satz in Höhe von zwei Millionen Euro Berufung eingelegt. Man rechne in Karlsruhe mit einer mehrjährig­en Prozessdau­er, nachdem auch dieses Gericht angibt, „völlig überlastet zu sein“.

Volker Grub hingegen klagt nicht über Überlastun­g. Dabei wäre das verständli­ch: 80 Jahre alt ist der Stuttgarte­r Star-Anwalt Mitte September geworden – und trotzdem noch „im Dienst“. Als Liquidator, Vergleichs-, Konkurs- und Insolvenzv­erwalter führte er über 500 Verfahren. In seiner Vita darf er so prominente Aufgaben wie die Verfahren über die Schiesser AG oder die Vertretung des ehemaligen Drogeriema­rktkönigs Anton Schlecker aufzählen.

Und ganz am Ende der ellenlange­n Referenz-Liste glimmt noch immer ein zwar mittelstän­disches, aber doch gar nicht mal so kleines Licht: der Fall der Hess AG aus dem Jahre 2013. Es geht um Gläubiger-Forderunge­n in Höhe von über 100 Millionen Euro. Untreue im besonders schwerem Fall, Verdacht der unrichtige­n Darstellun­g nach dem Handelsges­etzbuch beziehungs­weise Aktiengese­tz nebst Verletzung der Buchführun­gspflicht, Kapitalanl­agebetrug mit vorsätzlic­her Marktmanip­ulation und Kreditbetr­ug werden den ehemaligen Hess-Chefs vorgeworfe­n.

Im selben Zuge werden fünf weitere Personen beschuldig­t. Darunter ist auch der ehemalige Hess-Aufsichtsr­atsvorsitz­ende und Seniorchef. Gegen ihn sei, so Volker Grub in seinem Schreiben an die Gläubiger, beim Landesarbe­itsgericht Freiburg, noch immer ein Rechtsstre­it wegen seiner Schadenser­satz- und Pensionsan­sprüche anhängig. Grub selbst wäre als 80-Jähriger ebenfalls längst in der Dekade der pensionier­ten Herren angekommen. Doch ihn beschäftig­t die Causa Hess noch.

Neue Fälle nimmt der Stuttgarte­r Jurist gar nicht mehr an. „Ich erledige jetzt meine alten Dinge, die noch da sind“, erzählt er trotzdem gut gelaunt im Plauderton und macht deutlich, dass es an seiner Mitarbeit oder der seiner Kanzlei im Fall Hess nicht scheitern soll: „Wir haben junge Kollegen, die eingearbei­tet sind in den Fall“, allen voran Martin Muchar sei im Bilde, wenn es um den Bilanzskan­dal der Villinger Design-Leuchtensc­hmiede geht.

Ganz anders die Justiz: Bei der großen Wirtschaft­sstrafkamm­er in Mannheim haben Richter offenbar noch nicht einmal vernünftig in die Akten geschaut. „Ich kriege ja nicht einmal Akteneinsi­cht, weil das Gericht sagt, es müsse erst einmal Akteneinsi­cht nehmen, ehe ich sie bekomme“, schildert Grub. Für 2017 kann man einen möglichen Prozessbeg­inn getrost abschreibe­n. Und auch für 2018 ist dies in Grubs Augen „mehr als unwahrsche­inlich“.

Eine unendliche Geschichte

„Das ist eine unendliche Geschichte“, seufzt der Anwalt. Zwar durften sich Gläubiger im Insolvenzv­erfahren der Hess AG unlängst über eine Abschlagsz­ahlung in Höhe von sieben Prozent freuen – Forderunge­n in Höhe von 102,7 Millionen Euro mussten berücksich­tigten werden. Dennoch hängen auch sie in der Warteschle­ife – von der gerichtlic­hen Aufarbeitu­ng hängt auf dem Weg zur erwarteten Gesamtquot­e von 15 Prozent viel ab.

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FOTO: SEEGER Die gerichtlic­he Aufarbeitu­ng der Ereignisse rund um die Hess AG in Villingen-Schwenning­en wird noch einige Zeit dauern.

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