Monsieur Poirot gibt sich die Ehre
„Mord im Orient-Express“– Bildgewaltige Neuverfilmung des Agatha-Christie-Klassikers
Mit Stars wie Penelope Cruz, Willem Dafoe, Judy Dench und Johnny Depp sowie sich selbst in der Hauptrolle hat Kenneth Branagh den Krimi-Klassiker „Mord im Orient-Express“neu verfilmt. Der Brite präsentiert üppiges Unterhaltungskino à la Hollywood, angereichert mit einigen nachdenklichen Tönen.
Irgendwo auf dem Balkan gerät ein Luxuszug in eine Schneeverwehung und kommt auf einer Brücke über schwindelerregendem Abgrund zum Stehen. Während draußen eine dunkle, stürmische Nacht tobt, wird drinnen ein Mann umgebracht. Zufällig ist ein Passagier der berühmte belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot. Der kombiniert messerscharf: Nur einer der 13 Mitfahrer kann den Mord verübt haben. So macht sich Poirot an die Aufklärung, bevor eine nahende Rettungsmannschaft die Eingeschlossenen befreien kann.
Fans klassischer Krimis ist die Story wohlbekannt. Denn der Roman „Mord im Orient-Express“von Agatha Christie ist 1934 erschienen und wurde seither millionenfach gelesen und einige Male verfilmt. Für die erste Kinofassung sorgte 1974 der Hollywood-Regisseur Sidney Lumet mit Stars wie Albert Finney als Ermittler sowie Ingrid Bergman, Lauren Bacall und Sean Connery.
Eine heutige Kinogröße, Sir Kenneth Branagh, der auch in der Fernsehserie „Kommissar Wallander“die Hauptrolle spielt, sorgt nun für das dritte Remake. Der umjubelte Shakespeare-Interpret hat den Stoff seiner Landsmännin inszeniert und spielt höchstpersönlich und mit sichtbarem Genuss den Feinschmecker und Philosophen Poirot. Und auch wenn sein Film nicht durch besondere Originalität besticht, kann man das Remake als gelungen bezeichnen. Denn es wäre nicht Branagh, wenn er das unterhaltsamschaurige Geschehen nicht um einige existenzielle Untertöne anreichern würde. Eine Rolle spielt die reale, spektakuläre Entführung und Ermordung des Babys von FliegerAss Charles Lindbergh im Jahr 1932, die auch bei der Autorin Christie einen schmerzlichen Eindruck hinterlassen hatte.
Zunächst aber schwelgt auch Branaghs „Mord im Orient-Express“in der Pracht üppiger Bilder aus einer vergangenen Zeit. Immer wieder schweift die Kamera über historische Kulissen der Städte Jerusalem und Istanbul, in denen Poirot sich zuvor aufgehalten hat: elegante Hotels und Restaurants, stilvoll mit Hut, Anzug und schönen Roben bekleidete Menschen bilden die Szenerie. Doch es ist eine Welt, in der das Verbrechen überall lauert. Hier kommt es in Gestalt von Johnny Depp an Bord des Zugs. Dessen Mr. Ratchett ist ein grobschlächtiger Amerikaner mit Narben im Gesicht. Als der Ordnung und Rationalität liebende Detektiv nach der Bluttat seine geheimnisvollen Mitreisenden verhört, beginnt er an der Vernunft der Menschen zu zweifeln. Denn die ganze Gesellschaft in ihrem elitären Gefährt wird im Film überhöht zum Symbol einer traditionellen Welt in der schwierigen Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.
Mord im Orient-Express. Regie: Kenneth Branagh. Mit Kenneth Branagh, Penelope Cruz, Willem Dafoe. USA, Großbritannien 2017. 154 Minuten. FSK ab 12.