Darf man Gaffern die Grenzen aufzeigen?
Was für eine fragwürdige Verschiebung der Perspektive: Da ergötzen sich Lastwagenfahrer am Anblick von Unfallopfern, filmen den Abtransport von Leichen in freudiger Erwartung vieler Facebook-Likes und Kommentare – und dann wird über ein vermeintlich unpassendes Verhalten eines Feuerwehrmanns diskutiert, dem angesichts dieses Voyeurismus der Kragen geplatzt ist. Von den Uniformierten wird ein jederzeit korrektes, abgeklärtes Handeln erwartet – während manch ein Zuschauer sich selbst an keine Regeln halten zu müssen glaubt. Fehlt noch, dass einer der Betroffenen nun Anzeige erstatten zu müssen glaubt! Die Gaffer sollten sich schämen und schweigen.
Leider ist dem nicht so. Leider wissen gerade im Internet viele Besserwisser ganz genau, wie sich der Feuerwehrmann bitteschön hätte verhalten sollen. Zur Erinnerung: Der Mann war stundenlang an der Bergung von tödlich Verletzten beteiligt, hat sicher auch versucht, die Autobahn so schnell wie möglich wieder für den Verkehr freizuräumen. Und das in seiner Freizeit: Der Großteil der geleisteten Einsatzzeit von Rettungskräften in Deutschland findet nach wie vor im Ehrenamt statt. Ein gesellschaftlich sinnvolleres Hobby, als Leichen zu filmen und sich dafür im Internet feiern zu lassen.
Von Ulrich Mendelin
Gegen den Feuerwehrmann, der auf die Gaffer gespritzt hat, wird wohl kein Strafverfahren eingeleitet – das ist auch richtig so, alles andere wäre übertrieben. Eine Rüge oder ein Hinweis über das Verhalten wird es aber geben müssen, das sieht selbst der Feuerwehrverband so. Der Mann hat spontan, wohl verärgert gehandelt, auch menschlich nachvollziehbar. Dennoch gilt: Die Feuerwehr soll Brände löschen, Menschen helfen, sie ist hier aber kein Teil der Exekutive, der ausführenden Gewalt. Das ist allein Aufgabe der Polizei. Was soll denn als Nächstes kommen: Die Müllabfuhr beschmeißt Gaffer mit Dreck? Der Lebensmittelhändler setzt Eier als Wurfgeschosse ein? Klingt witzig, was aber ist, wenn jemand einen Stein zur Hand nimmt? Wo liegt die nächste Eskalationsstufe? Und auf welchem Gebiet soll der Bürger noch bestrafend auftreten: Wenn jemand bei Rot über die Ampel geht oder ein Stück Papier auf den Boden fallen lässt? Es gehört zu den gruseligen Vorstellungen, dass der Bürger – sprich Mob – das Gesetz in die eigene Hand nimmt, permanent als moralische und sanktionierende Instanz auftritt. Das soll er den dafür zuständigen Stellen überlassen. Der vorliegende Fall mag minderer Natur sein, die Grenzen in dieser Hinsicht müssen jedoch scharf und klar gezogen werden.
Von Dirk Grupe „Gaffer sollten sich schämen und schweigen.“ „Das ist allein Aufgabe der Polizei.“