Erst das Land, dann die Partei
Es sind keine politischen Spielchen, wenn sich in jüngster Zeit immer mehr Personen, die in Berlin an den Jamaika-Sondierungen teilnehmen, pessimistisch oder gar ratlos zeigen. Es wird zwar nach wie vor miteinander gesprochen, aber der Eindruck verfestigt sich, dass kleinkarierte Parteipolitik die Oberhand vor staatspolitischer Verantwortung gewinnt.
Wer mit dem rein parteitaktisch motivierten Gedanken an Neuwahlen spielt, der blendet jedoch völlig aus, dass sich Deutschland dadurch für einen langen Zeitraum als aktiver Partner eigenmächtig aus dem Spiel nehmen würde – und dies in einer kritischen internationalen Lage. Zugegeben: Ohne Zustimmung der jeweiligen Parteitage oder der Basis wird ein grün-schwarz-gelbes Jamaika-Bündnis nicht Realität werden. So geht Politik. Aber es gilt auch weiterhin der alte Satz: Erst das Land, dann die Partei. Das heißt, Maximalforderungen können nicht umgesetzt werden, der Zwang zum Kompromiss – also zum demokratischen Ausgleich – gilt.
Europa und die Welt stehen in Zeiten des Brexits, des unkalkulierbaren US-Präsidenten Donald Trump oder auch der digitalen Revolution vor entscheidenden Weichenstellungen. In dieser Gemengelage ist eine nur geschäftsführende Bundesregierung ohne parlamentarische Mehrheit mehr als fahrlässig. Sie schadet den deutschen Interessen.
Auf internationaler Bühne geschieht dies bereits. Derzeit findet die Weltklimakonferenz in der früheren Bundeshauptstadt Bonn statt. Die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel war gespickt mit Appellen und Ankündigungen, es war eine hübsche Erzählung aus dem Reich der Poesie. Und mehr konnte es auch nicht sein. Denn die amtierende Regierungschefin hatte kein realpolitisches Mandat, verbindliche Schritte oder Entscheidungen zur Bekämpfung des Klimawandels anzukündigen, weil sich ihre potenziellen Koalitionspartner darüber wie die Kesselflicker streiten. Was für eine Blamage für Merkel, die noch vor geraumer Zeit als „Klimakanzlerin“gefeiert wurde.