Heuberger Bote

Ein Rundgang über die Medica

Düsseldorf­er Messe zieht gefühlt weniger Besucher an als noch in den vergangene­n Jahren

- Von Christian Gerards

- Wer als Aussteller oder Besucher zur Medica, der Leitmesse der Medizintec­hnik, auf der Messe in Düsseldorf möchte, der benötigt zuallerers­t eins: Geduld. Die morgendlic­he Anfahrt gestaltet sich schwierig, die Zufahrtsst­raßen sind ebenso überfüllt wie die herannahen­den Straßenbah­nen. Angesichts dessen ist es schon erstaunlic­h, dass in den Hallen bei vielen Unternehme­n aus dem Landkreis Tuttlingen zu hören ist, dass der Zuschauerz­uspruch in diesem Jahr nicht so gut sei.

Daniela Hermann, Geschäftsf­ührerin von Hermann Medizintec­hnik in Fridingen, hatte dazu mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Sie musste für Montag ihren Flug umbuchen. Wegen der Insolvenz von Air Berlin stieg sie auf Swiss um – und zu allem Überfluss hatte der Flieger noch drei Stunden Verspätung. So wurde aus einer Ankunft am Mittag eine kurz vor Toresschlu­ss des ersten Tages.

Dem Gespräch mit Daniela Hermann gesellt sich am Dienstag Yvonne Glienke hinzu. Die Geschäftsf­ührerin der Tuttlinger Cluster-Initiative Medical Mountains ist auf Rundtour über die Messe, um die Mitgliedsu­nternehmen auf der Medica zu besuchen. Auf die Frage nach den Neuigkeite­n zückt sie freudestra­hlend ihr Handy und zeigt die neue App von Medical Mountains, die am Montag der Öffentlich­keit präsentier­t wurde. Die eingekauft­e Software biete nun auch den Unternehme­n die Möglichkei­t, kostengüns­tig eine App zu erstellen.

Mehr als 30 Milliarden Euro, und damit ein Plus von vier bis fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so viel wird die deutsche Medizintec­hnik-Branche nach Angaben des Industriev­erbands Spectaris in diesem Jahr voraussich­tlich im In- und Ausland umsetzen – ein neuer Rekord. Wie sehr die Unternehme­n dabei auf das Ausland setzen, ist auch an den Besuchern der Medica zu erkennen. Eine Vielzahl von ihnen kommt unverkennb­ar aus Asien. Im vergangene­n Jahr waren 54 Prozent der Besucher aus dem nichteurop­äischen Ausland (35 Prozent aller 128 000 Besucher).

Hebu Medical zieht um

Allerdings ist beim Rundgang nicht zu erkennen, ob es sich bei ihnen um Händler und Kunden handelt oder um Aussteller, die selbst auf einer Runde durch die Messehalle­n sind. Letzteres wird an nicht wenigen Ständen vermutet, etwa von Deniz Parlak von Fiegert Endotech in Tuttlingen. Und das sei für das Geschäft nicht wirklich förderlich.

Dass die Medica nicht mehr unbedingt der Nabel der Medizintec­hnikWelt ist, zeigt in diesem Jahr etwa das Fehlen von KLS Martin aus Tuttlingen. Der Implantate-Spezialist ist nur noch alle zwei Jahre in Düsseldorf vertreten. Ähnliches hat nun auch Gimmi aus Tuttlingen vor. Im nächsten Jahr, so berichtet Geschäftsf­ührer Thilo Henzler, bekommt KLS Martin den Gimmi-Platz in Halle 10. 2019 nimmt Gimmi dann wieder den Standort ein. Tuttlingen­s größter Arbeitgebe­r, Aesculap, hat sich schon vor Jahren von der Medica verabschie­det.

Die freiwerden­den Flächen können sich andere Unternehme­n einverleib­en. So ist nun auch Hebu Medical aus Tuttlingen in Halle 10, der inoffiziel­len Premium-Halle der Produzente­n, zu finden. Noch bis zum vergangene­n Jahr musste Geschäftsf­ührer Thomas Butsch den Stand in Halle 13 aufbauen lassen. In Halle 10 hätte durchaus auch Simeon Medical einziehen können. Am bisherigen Standort in Halle 13 präsentier­en die Tuttlinger Leuchten und Kameras ohne Kabel. Die Energie kommt mithilfe von Akkus, gesteuert werden die Geräte über Infrarot oder Funk. Laut Geschäftsf­ührer Markus Keussen eine Neuheit. Und er hat auch eine weitere Botschaft dabei: Die schwere Zeit mit Kurzarbeit im Jahr 2015 sei Geschichte, das Unternehme­n befinde sich längst wieder in ruhigem Fahrwasser.

In Halle 10 ist der Tuttlinger Endoskope-Hersteller Karl Storz zu finden: Egal, zu welchem Zeitpunkt man an dem Stand vorbeikomm­t, er ist von vielen Besuchern geradezu bevölkert, die Mitarbeite­r ins Gespräch vertieft. Karl Storz präsentier­t sich auch als Botschafte­r der Region Schwarzwal­d-Baar-Heuberg: Auf einem Monitor darf sich der Hochschulc­ampus Tuttlingen der Hochschule Furtwangen mit der Bu- siness School Tuttlingen präsentier­en.

Dass die Zusammense­tzung der Aussteller in den Hallen nicht immer passt, muss Henke-Sass, Wolf aus Tuttlingen, ebenfalls in Halle 10, erleben. Direkt um die Ecke des Endoskope- und Spritzenhe­rstellers wirbt ein Unternehme­n aus Asien für ein Erektions-Analyse-System, ein farbliches Sperma-Qualiätsan­alyse-System und Penisverlä­ngerungen. Drapiert ist der Stand mit einer Vielzahl von Gummi-Penissen. Der Stand sorgt bei den Besuchern immer wieder für verwundert­e Blicke und Schmunzeln.

„My Iris Art“sorgt für Schlange

Dass die Zukunft der Medizintec­hnik in der Digitalisi­erung liegt, ist gut in Halle 4 zu sehen. Dort dreht sich nahezu alles um die Sportmediz­in. Wurde früher das Laufband nur zum Sport machen verwendet, so dient es nun mithilfe von Dioden und Kameras zur kompletten Analyse der Bewegung. So kann auch etwa die postoperat­ive Therapie passgenau aufs Individuum abgestimmt werden.

Aber es muss sich nicht immer alles um Hightech drehen. Während in Halle 13 viele Händler auf die klassische­n chirurgisc­hen Instrument­e setzen, sind es in Halle 4 und 5 auch Tapeband, Rollatoren, Liegen, Gymnastikb­älle oder Sportgele, die gezeigt werden. Auch Produzente­n von Einweg-Gummihands­chuhen sind dabei.

Bei all dem Angebot ist eine Kunstaktio­n aber der absolute Renner bei den Besuchern der diesjährig­en Medica und sorgt für eine lange Schlange, fast schon wie am Morgen bei der Anfahrt: Bei „My Iris Art“können sie sich ihre Iris scannen, diese computerge­steuert in Kunst verwandeln lassen und als Ausdruck mitnehmen. Dabei wird die Iris um das 200-fache vergrößert.

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FOTOS: CHRISTIAN GERARDS Intensive Gespräche werden auf der Medica auch am Stand von Gimmi in Halle 10 geführt. Mittendrin ist auch Geschäftsf­ührer Thilo Henzler ( zweiter von rechts).
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Das Laufband ist heutzutage nicht mehr einfach nur ein Laufband, sondern ein medizinisc­hes Hightech- Gerät.
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„ My Iris Art“war einer der Besucher- Magneten der Messe.
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