Heuberger Bote

Ein Geist, gefangen in seiner Haut

„A Ghost Story“: Ungewöhnli­ches Drama über Trauer und Erlösung

- Von Stefan Stiletto

asey Affleck ist in seiner neuen Rolle in „A Ghost Story“stets präsent, aber kaum zu sehen. Denn in dem Independen­t-Film spielt er einen Mann, der nach seinem Tod als Geist in sein früheres Haus zurückkehr­t.

Die beiden jungen Menschen, von denen Regisseur David Lowery hier erzählt, haben keine Namen. Nur zwei Anfangsbuc­hstaben, M (Rooney Mara) und C (Affleck). Sie bleiben in dieser Hinsicht so rätselhaft wie vieles in diesem Film. So unerwartet C ums Leben kam, so unerwartet steht er im Krankenhau­s wieder auf, obwohl er gerade seinen Verletzung­en erlegen ist. Ganz langsam und als Geist, der exakt so aussieht, wie man sich Geister oft vorstellt: nicht als Furcht einflößend­e Fratze, sondern als weiß umhüllte Gestalt. Die Liebe zu M führt ihn zurück in das Haus, das er mit seiner Frau bewohnt hat. Doch dort ist er gefangen und hat kaum eine Möglichkei­t, in die Welt der Lebenden einzugreif­en. Tatenlos muss er zusehen, wie M leidet und trauert, wie sie sich irgendwann mit einem anderen Mann trifft und schließlic­h auszieht. Nur C kann nicht aus seiner Haut beziehungs­weise seinem Laken. Er scheint verdammt, auf ewig in dem Haus ausharren zu müssen.

Lowery hat „A Ghost Story“nach seinem ersten Hollywood-Film „Elliot, der Drache“gedreht, mit wenig Aufwand und ohne Rücksicht auf kommerziel­le Aspekte. Er spielt mit den Vorstellun­gen von Geistern, nimmt diese allerdings ernst. Mehr noch: Er will nicht von jenen erzählen, die mit dem Geist konfrontie­rt werden, sondern von dem Geist selbst. „A Ghost Story“ist die Geschichte eines Geistes, die sich radikal dessen Raumund Zeitempfin­den unterordne­t, was der Inszenieru­ng eine enorme künstleris­che Freiheit eröffnet. Manche Szenen dehnt der Film schier unendlich lang, manchmal rast die Zeit nur so dahin. Als Gruselfilm funktionie­rt „A Ghost Story“überhaupt nicht, wohl aber als sperriges Drama über Verlust und Trauer und die Ahnung, dass es mehr gibt im Leben als das, was man mit den Augen sehen kann.

Casey Affleck ist als Geist ganz und gar uneitel. Er hat sich darauf eingelasse­n, in diesem Film weitgehend unsichtbar zu bleiben. Verborgen unter einem langen weißen Laken bestreitet er nahezu den gesamten Film. Einen Oscar-Gewinner derart zu verstecken und zum Beobachter ohne große physische Ausdrucksk­raft zu verdammen, ist vielleicht die größte Dreistigke­it dieses Films. Hier vollzieht sich eine Auflösung aller Regeln und alles Oberflächl­ichen, um den Blick für etwas Neues zu öffnen. (KNA)

 ?? FOTO: DPA ?? Eine Herausford­erung: Casey Affleck darf in „Ghost Story“fast nur als Geist auftreten und bleibt als solcher meist unsichtbar.
FOTO: DPA Eine Herausford­erung: Casey Affleck darf in „Ghost Story“fast nur als Geist auftreten und bleibt als solcher meist unsichtbar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany