Der Strumpf wird zum Handschuh
n seinen Kindheitserinnerungen beschreibt Walter Benjamin, wie er als Knabe die Holztüren eines Kleiderschrankes öffnete. Auf seiner Entdeckungsreise in diesen dunklen Innenraum des Zimmers begleitete das unheimliche Knarren des Scharniers seinen Weg.
Sein wichtigster Fund waren die Strümpfe, deren Bund rückwärts über das Paar zurückgezogen war. So konnte man mit der Hand in diesen Knäuel hinein fahren wie in einen Handschuh.
Und der wird für das Kind zum Gleichnis für die Geheimnisse dieser Welt. Nicht selten bestehen sie darin, dass etwas umgekehrt worden ist – was außen war, ist nun innen, was vorne war, hinten, was oben nun unten.
Voll solcher Geheimnisse ist die Adventszeit. Kinder erfahren das, wenn sie jeden Tag ein Türchen im Kalender oder ein kleines Säckchen öffnen dürfen, das an einer Schnur aufgereiht ist. Hier liegen Plätzchen versteckt, Dominosteine und dergleichen.
All dies sind Gleichnisse für das Geheimnis, in dem unser Leben sich zeigt, wenn wir innehalten. Was wir bisher verstanden haben, reicht in Unverstandenes, das bisher Gesagte in Unausgesprochenes, das bisher Gesehene in noch Unentdecktes.
Im Advent richtet sich die Frage darauf, wie Gott uns Menschen nahe gekommen ist, und wir seine Nähe erleben. „Er äußert sich all seiner G’walt, / wird niedrig und gering / und nimmt an sich eins Knechts Gestalt, / der Schöpfer aller Ding, / der Schöpfer aller Ding.“Auch für Erwachsene liegt in dieser Strophe ein Geheimnis.
Pfarrer Dr. Hans Martin Dober, Evangelische Friedenskirchengemeinde