„Wir haben nach wie vor eine hochfragile, gefährliche Lage im Nordirak“
Der Bundestag hat am Dienstag beschlossen, weiterhin kurdische Peschmerga-Kämpfer im Nordirak auszubilden. Agnieszka Brugger (Grüne, Foto: dpa) aus Ravensburg hat sich bei der Abstimmung enthalten. Lilia Ben Amor hat sie befragt.
Frau Brugger, was halten Sie davon, dass die Bundeswehr im Nordirak Peschmerga-Kämpfer ausbildet?
Das Mandat für diesen Einsatz wurde zu einer Zeit auf den Weg gebracht, als die Terroristen des selbsternannten Islamischen Staates Teile des Nordiraks unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Damals fand ich es einen richtigen Ansatz zu sagen, wir wollen die PeschmergaKämpfer mit Ausbildung unterstützen, damit sie die Menschen gegen die Gräueltaten der Terrororganisation besser verteidigen können. Die Lieferung von Waffen haben wir als Grüne immer abgelehnt. Jetzt haben wir eine andere Lage. Die Kämpfer von Daesh (anderer Name für den sogenannten Islamischen Staat) sind in der Fläche besiegt, aber wir haben nach wie vor eine hochfragile, gefährliche Lage im Nordirak. Aus meiner Sicht sind funktionierende und politisch kontrollierte Sicherheitskräfte eine gute Antwort darauf, aber das darf sich dann nicht nur auf den Nordirak konzentrieren.
Gerät Deutschland zwischen die Fronten der Peschmerga und der Zentralregierung?
Statt den Fokus nur auf die Peschmerga zu richten, muss der Beitrag alle Gruppen und ihre Versöhnung in den Blick nehmen. Die Bundesregierung ist ein Stück weit blind für die Risiken ihres Engagements. Wir haben eine Reihe von Berichten und Hinweisen auf Konflikte zwischen den Jesiden und den Peschmerga. Wir wissen, dass nach dem Unabhängigkeitsreferendum wahrscheinlich sogar Waffen, die von der Bundesregierung geliefert wurden, gegen die irakischen Sicherheitskräfte eingesetzt wurden. Wir haben auch innerhalb der Peschmerga mit der Patriotischen Union Kurdistans und der Demokratischen Partei Kurdistans zwei Gruppen, die in einem hohen und aktuell zunehmenden Spannungsverhältnis zueinander stehen.
Wie soll es mit der Bundeswehr im Nordirak weitergehen?
Man müsste über eine neue Ausrichtung der Mission entlang bestimmter Grundlagen nachdenken. Dazu gehört ein politisch klügeres Konzept und eine klare zivile Kontrolle der Streitkräfte. Es muss auch um eine Vermittlung und Versöhnung zwischen den zerstrittenen Gruppen gehen und dies darf sich nicht nur auf den Nordirak beschränken. Dann kann Deutschland, mit dem hohen Ansehen, das es im Irak genießt, einen größeren Beitrag dazu leisten, dass es eine Chance auf eine stabile, sichere und vielleicht auch friedliche Zukunft im Irak gibt. erreichen wollte, hatte es schwere Gefechte zwischen der irakischen Armee und den Peschmerga gegeben. Deswegen befürchtet der Linken-Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn, dass Deutschland bei der Unterstützung beider Parteien zwischen die Fronten gerät.
Durch die zahlreichen Waffenlieferungen seien bereits deutsche Waffen auf dem Schwarzmarkt erhältlich und bei innerirakischen Konflikten im Einsatz, so Höhn. Wegen der angespannten Sicherheitslage nach dem Referendum wurde die Ausbildung seitens der Bundeswehr zwischenzeitlich für etwa eine Woche ausgesetzt.
Doch im Irak stehen sich nicht nur der IS, die Peschmerga und die irakische Armee gegenüber. Es kämpfen viele verschiedene Gruppen gegen den IS. Diese sind aber teilweise zerstritten. Die Peschmerga sind beispielsweise in sich gespalten.
Außerdem gibt es schiitische Milizen, die in der Region mitkämpfen. Sie unterstehen al-Abadis Befehlen, führen allerdings ein Eigenleben. Finanziert und damit gesteuert werden sie vom schiitischen Iran, der einen eigenen kurdischen Staat im Nordirak vehement ablehnt.