Alno wird britisch
Riverrock zahlt 20 Millionen Euro – Löhne sollen sinken
(ben) - Die Produktion des insolventen und bereits stillgelegten Küchenbauers Alno könnte bereits im Januar wieder laufen. Der britische Finanzinvestor Riverrock übernimmt das Traditionsunternehmen und plant, mit 410 von zuletzt 520 Mitarbeitern so schnell wie möglich wieder Küchen in Pfullendorf zu produzieren, wie Insolvenzverwalter Martin Hörmann der „Schwäbischen Zeitung“am Dienstag sagte. Für 20 Millionen Euro kaufe Riverrock wesentliche Teile wie Maschinen, Grundstücke sowie die Markenrechte. Der Vertrag sei bereits unterschrieben, allerdings müssten noch einige zentrale Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu zählt auch die Bedingung, dass ausreichend Mitarbeiter die neuen Arbeitsverträge zu deutlich schlechteren Konditionen akzeptieren. Die Löhne würden um rund 15 Prozent sinken.
- Gleicher Ort, wieder Ruhe. Dieses Mal aber erwartungsvolle Ruhe, Stille voller Hoffnung. So beschreiben Mitarbeiter die Atmosphäre im Kasino von Alno, als Insolvenzverwalter Martin Hörman die neuesten Nachrichten erläutert. Von eben dem Pult aus, von dem Hörmann am 24. November noch das endgültige Aus für den insolventen Küchenbauer verkündet hatte, überbrachte der 47-jährige Rechtsanwalt den rund 450 anwesenden Mitarbeitern nun eine positive Botschaft. Die britische Investmentgesellschaft Riverrock kauft das Traditionsunternehmen aus Pfullendorf und plant, die Produktion so schnell wie möglich wieder anlaufen zu lassen.
Rund 20 Millionen zahlt Riverrock für Maschinen, Grundstücke und auch die Markenrechte an Alno. Das Unternehmen mit Sitz in London ist nach Angaben von Martin Hörmann spezialisiert auf mittelständische Unternehmen aus Deutschland. „Riverrock glaubt an die Marke und an das Produkt Küche und will Alno ohne die vielen Altlasten fortführen“, sagt Insolvenzverwalter Martin Hörmann im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Riverrock-Mitinhaber Jason Carley, der die Investitionen der Gesellschaft verantwortet, stellte sein Unternehmen der Alno-Belegschaft am Dienstag vor. „Er sagte, Riverrock will dem Alno-Management die Chance geben, selbstständig zu operieren“, berichtet Hörmann aus der Versammlung.
Hauptverantwortlicher Manager der neuen Firma, die künftig keine Aktiengesellschaft, sondern eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung sein wird, soll der bis zuletzt bei Alno aktive Vertriebsvorstand Andreas Sandmann als Sprecher der Geschäftsführung werden. Ihm will Riverrock nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Unternehmenskreisen einen zweiten Geschäftsführer zur Seite stellen, der sich vor allem um die Finanzen kümmern soll. Vor allem aber: Das chaotische Unternehmen mit all seinen Altlasten, den wechselnden Anteilseignern und immer neuen Vorstandschefs mit anderen Ideen soll endgültig der Vergangenheit angehören. „Die alte AG ist Geschichte, sie wird abgewickelt, und sie wird auch nicht mehr wieder aufstehen“, sagt Sandmann. „Wir wollen ganz bescheiden neu anfangen. Wir werden ein mittelständisches Unternehmen sein, das als bodenständige Großschreinerei einen Neustart wagt.“
Der Kaufvertrag ist bereits unterschrieben, allerdings müssen nach Angaben von Martin Hörmann für die Umsetzung noch einige Bedingungen erfüllt werden. Zuallererst muss der Gläubigerausschuss zustimmen. „Zu einem solchen Verkauf kann man nur sein Okay geben, wenn er für die Gläubiger günstiger ist als eine Abwicklung“, erläutert Hörman. „Das ist aber aus meiner Sicht ganz klar so.“Als weitere Voraussetzung muss die Bundesagentur für Arbeit für eine Übergangszeit den 410 übernommenen Mitarbeitern Kurzarbeitergeld gewähren, bis die ersten Aufträge hereinkommen, denn im Moment ist das Auftragsbuch der neuen Gesellschaft noch leer.
Dritte Bedingung ist die Gründung einer Transfergesellschaft, in die alle Mitarbeiter wechseln sollen, die nicht von der neuen Gesellschaft übernommen werden. Hörmann warnte vor zu großer Euphorie. „Es ist erst geschafft, wenn wir das auch alles erledigt haben“, sagt Hörmann. „Es wäre schön, wenn wir das zu einem symbolischen Neustart am 1. Januar hinbekommen würden.“Insgesamt übernimmt die neue Firma 410 Mitarbeiter, von zuletzt noch 520 Beschäftigten. 110 Angestellte sollen in die Transfergesellschaft wechseln oder in der Gruppe weiterarbeiten, die die Teile der alten Alno AG abwickelt, die Riverrock nicht kauft. Als Insolvenzverwalter Martin Hörmann Ende November den Geschäftsbetrieb des Unternehmens eingestellt hatte, standen noch 570 Mitarbeiter bei Alno unter Vertrag.
Lohnkürzungen von 15 Prozent
Vor allem aber gibt es nach Informationen der IG Metall eine weitere Bedingung: Der Vertrag kommt nur zustande, wenn genügend Mitarbeiter die neuen Arbeitsverträge mit der noch zu gründenden Gesellschaft unterschreiben. „Bei diesen Kontrakten sinken die Löhne um 15 Prozent, sie sehen fünf Stunden zusätzliche Arbeit ohne Entgelt vor, die Tarifbindung ist aufgehoben, das heißt es gibt kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld und keine regelmäßigen Tariferhöhungen“, sagt Michael Föst, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Albstadt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Die Menschen werden erpresst, denn wer nicht unterschreibt bleibt in der AG, die ihn schon gekündigt hat und die abgewickelt wird.“Nach Angaben von Föst habe Riverrock der Belegschaft eine Frist bis zum 29. Dezember gesetzt. „Natürlich ist es gut, wenn ein Investor in Pfullendorf 410 Arbeitsplätze erhalten will, aber Riverrock ist ein Hedgefonds – und der wird sich seine Investitionen immer wieder zurückholen.“
Uneinigkeit bei Arbeitnehmern
Hörmann wollte sich zu Vertragsdetails nicht äußern. Das sei Sache der neuen Gesellschafter und des Betriebsrats. Anders als die IG Metall steht der Betriebsrat von Alno den neuen Arbeitsbedinungen nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Firmenkreisen jedoch aufgeschlossener gegenüber. Betriebsratschefin Waltraud Klaiber war am Dienstag für eine Stellungnahme aber nicht zu erreichen.
Die Produktion könnte Riverrock schon im Januar neu starten, die Fertigung von Bauteilen für die frühere Tochter Pino läuft sowieso weiter. Klar ist aber auch, dass der Investor neben den 20 Millionen Euro für den Kauf nach Schätzungen von Branchenexperten einen weiteren höheren zweistelligen Millionenbetrag investieren muss, um die Geschäfte wieder aufzunehmen. „Vor März wird es wohl keine Auslieferungen geben“, erläutert Hörmann.
Offen ist nach wie vor die Frage, warum sich Riverrock erst so spät entschloss, ein konkretes Kaufangebot abzugeben. „Eigentlich war schon alles zu spät“, erzählt Martin Hörmann. „Das Unternehmen ist nie als Interessent aufgetreten, ich kenne die Gründe für den Meinungsumschwung nicht.“
Alno ist seit Jahren ein Sanierungsfall: Seit dem Börsengang 1995 schrieb das Unternehmen nur wenige Jahre schwarze Zahlen. Im Sommer 2016 gab es kurzzeitig Hoffnung, als die Prevent-Gruppe der bosnischen Unternehmerfamilie Hastor bei Alno einstieg. Doch Streitigkeiten zwischen dem altem Vorstand um Vorstandschef Max Müller und seiner Finanzchefin Ipek Demirtas und dem neuem Investor endeten im Chaos. Insgesamt verlor Prevent zwischen 80 und 100 Millionen Euro bei seinem Engagement in Pfullendorf. Zu den Gläubigern von Alno gehört auch das Unternehmen Riverrock, das Alno vor der Insolvenz ein Darlehen von 17 Millionen Euro gewährte.
Im vergangenen Juli stellte Alno einen Insolvenzantrag und stoppte später aus Geldmangel die Produktion. Ein besonders gesichertes Massedarlehen von Riverrock über weitere sechs Millionen Euro verschaffte Alno weitere Wochen Zeit. Weil sich aber trotzdem kein Käufer fand, verkündete Hörmann am 24. November das endgültige Aus und legte den Geschäftsbetrieb still. Zuvor hatte es Hörmann noch geschafft, die auf Billigküchen spezialisierte Alno-Tochter Pino aus Coswig (Sachsen-Anhalt) im Oktober an eine Investorengruppe um Marktführer Nobilia zu verkaufen. Für eine andere Tochter Wellmann aus Enger (NordrheinWestfalen) bleibt es beim endgültigen Aus, auch wenn in den ersten Gesprächen mit Riverrock vergangene Woche auch über einen Kauf von Wellmann gesprochen worden ist.
Positive Reaktionen bei Kunden
Während die Alno-Geschichte in Enger nun endgültig zu Ende ist, gibt es in Pfullendorf neue Hoffnung. Hoffnung, die sich auch auf Gespräche gründet, die Riverrock und der designierte neue Alno-Chef Andreas Sandmann mit Kunden und Lieferanten geführt haben. „Die Signale waren überall positiv“, sagt Hörmann.
Das Schicksal der neuen nun bodenständig und bescheidener auftretenden Firma wird sich aber an der Frage entscheiden, wie sehr die Marke Alno in den vergangenen Monaten und Jahren gelitten hat. „Einige Experten sagen, die Marke ist unkaputtbar, andere haben da große Zweifel“, erklärt Hörmann. Dieses Risiko trägt nun wohl bald ein Investor aus London.