Raue Nächte, raue Sitten
D ie Zeit zwischen Weihnachten und Dreikönig war schon immer etwas Besonderes. So scheint sogar die neue Rechtschreibung außer Kraft gesetzt zu sein. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man im Internet den Begriff
Raunächte eingibt, wie man diese zwölf geheimnisumwitterten Nächte vom 24. Dezember bis zum 6. Januar nennt, in denen unsere Altvorderen mit allerlei wilden Riten den Jahreswechsel feierten. Da finden sich Tausende von Belegen – aber falsch geschrieben: Rauhnächte statt Raunäch
te, wie es seit der Rechtschreibreform heißen muss. Denn rauh gehörte zu jenen Wörtern, deren Schreibweise 2006 verbindlich geändert wurde. Wie auch Känguruh verlor es sein h am Ende und wurde zu rau. Apropos sterblich: Manche Geschichten rund um die Raunächte sind in der Tat unheimlich. So hieß es früher, man dürfe zwischen den Jahren keine weiße Wäsche waschen – böse Unholde könnten im Vorbeifliegen ein Laken mitnehmen, und daraus werde dann ein Leichentuch für einen Hausbewohner.
Außerdem glaubten die Leute, dass Tiere in dieser Zeit miteinander reden könnten, dabei aber nicht gestört werden dürften. So wird in einer alten Schwarzwaldsage von einem neugierigen Bauern berichtet, der sich in der Heiligen Nacht in den Stall schlich, um sein Vieh zu belauschen. Da hörte er den einen Ochsen den anderen fragen: „Horn, Horn, was due mer morn?“– „De Buur ins Grab ziage“, kam die Antwort. Der Bauer starb in nämlicher Nacht …