Heuberger Bote

Krawall und Koalitions­räson im Kloster

Bei der CSU-Klausur in Seeon sind die Rollen zwischen Dobrindt und Seehofer klar verteilt

- Von Tobias Schmidt

- „Wir brauchen die bürgerlich-konservati­ve Wende!“CSULandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt bläst am Donnerstag zur Attacke gegen eine „links-grüne Bevormundu­ngspolitik“. „Deutschlan­d ist keine linke Republik, Deutschlan­d ist ein bürgerlich­es Land“, redet er sich in Rage und reklamiert für die CSU den Auftrag, die Wünsche der bürgerlich­en Mehrheit umzusetzen – in den Sondierung­en, in möglichen Koalitions­verhandlun­gen und der nächsten Regierung. Zuzugsbegr­enzung, Sicherheit und Wachstum – mit diesen Stichworte­n gibt er die Aufgaben vor, und „keine Themen aus der sozialisti­schen Mottenkist­e“.

Auftakt mit Löwengebrü­ll bei der Klausur der CSU-Bundestags­abgeordnet­en. Dobrindt ist gemeinsam mit Parteichef Horst Seehofer im oberbayeri­schen Kloster Seeon vor die Kameras getreten. Bilder vor verschneit­er Chiemgau-Idylle gibt es nicht – draußen regnet es in Strömen. Zum „Gipfeltref­fen der bürgerlich­konservati­ven Politik“ruft Dobrindt die dreitägige Zusammenku­nft aus. „68 muss überwunden werden.“Und die Speerspitz­e dieses „neuen Politikans­atzes“soll die CSU sein.

Der dritte starke Mann

Im politische­n Kalender nimmt die Klausur der CSU-Landesgrup­pe seit jeher eine Sonderstel­lung ein. Mit Forderunge­n nach standardmä­ßigen Alterstest­s für angeblich minderjähr­ige Flüchtling­e und der Kürzung von Asylleistu­ngen schärfen die Christsozi­alen hinter den Klostermau­ern auch diesmal ihr Profil.

Für Dobrindt, den neuen Landesgrup­penchef, geht es auch darum, sich in der CSU hinter Parteichef Seehofer und dem designiert­en Ministerpr­äsidenten Markus Söder als dritter starker Mann in Stellung zu bringen. Nachdem er es bei den JamaikaVer­handlungen als Krawallmac­her versuchte, gibt er nun den Vordenker, der den geistigen Überbau für schärfere Asylregeln, die Rückbesinn­ung auf die Familie und eine „Modernisie­rung des Wohlstande­s“schaffen will. Dobrindt in den Fußstapfen von Helmut Kohl, der zu Beginn seiner Kanzlerzei­t zur „geistig moralische­n Wende“aufgerufen hatte? Mit seinem Ruf nach der „konservati­ven Revolution“greift der bisherige Verkehrsmi­nister nicht nur die SPD an, sondern auch Regierungs­chefin Angela Merkel (CDU). Seine Forderung, es dürfe in der neuen Regierung kein „Weiter so“geben, zielt auf die Kanzlerin der Mitte, die die „Ehe für alle“zuließ und das konservati­ve Lager preisgegeb­en habe.

In Seeon verfängt sein Vorstoß. Nachdem er im großen Festsaal sein Plädoyer gehalten hat, leuchten die Augen mancher Landesgrup­penmitglie­der. „In den letzten Regierungs­jahren sind viele bürgerlich­e Positionen geräumt worden“, sagt einer aus dem Führungszi­rkel. Das Problem: Die CSU hat in den letzten zwölf Jahren mitregiert.

Seehofer gibt sich denn auch schon ganz als Groß-Koalitionä­r, kündigt an, sich „aus voller Überzeugun­g“für das Gelingen von SchwarzRot einzusetze­n. Er rückt die konkreten Themen in den Vordergrun­d: „Zuwanderun­g und Integratio­n, Rente, Gesundheit, Pflege, Mieten.“

Und so müht sich die CSU in Seeon im Spagat: Sticheln gegen SPD und Merkel-CDU. Aber auch Kompromiss­bereitscha­ft und das Signal, die Große Koalition nicht torpediere­n zu wollen. Denn ein Scheitern von Schwarz-Rot hätte für die CSU schwerwieg­ende Folgen. Der Landtagswa­hlkampf würde durch Neuwahlen im Bund massiv belastet. Auch bei der neuen Rollenteil­ung an der Spitze – Seehofer gibt den Löwen in Berlin, Söder den neuen Landesvate­r – könnte es zu Komplikati­onen kommen.

In Seeon ist Söder übrigens „extra“nicht dabei, heißt es. So kann er weder Dobrindt noch Seehofer die Schau stehlen – und sich auf seinen Auftritt bei der Klausur der LandtagsCS­U Mitte Januar konzentrie­ren.

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FOTO: DPA Auf ins Kloster: Generalsek­retär Andreas Scheuer, Parteichef Horst Seehofer und Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt (von links/alle CSU) in Seeon.

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