Krawall und Koalitionsräson im Kloster
Bei der CSU-Klausur in Seeon sind die Rollen zwischen Dobrindt und Seehofer klar verteilt
- „Wir brauchen die bürgerlich-konservative Wende!“CSULandesgruppenchef Alexander Dobrindt bläst am Donnerstag zur Attacke gegen eine „links-grüne Bevormundungspolitik“. „Deutschland ist keine linke Republik, Deutschland ist ein bürgerliches Land“, redet er sich in Rage und reklamiert für die CSU den Auftrag, die Wünsche der bürgerlichen Mehrheit umzusetzen – in den Sondierungen, in möglichen Koalitionsverhandlungen und der nächsten Regierung. Zuzugsbegrenzung, Sicherheit und Wachstum – mit diesen Stichworten gibt er die Aufgaben vor, und „keine Themen aus der sozialistischen Mottenkiste“.
Auftakt mit Löwengebrüll bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten. Dobrindt ist gemeinsam mit Parteichef Horst Seehofer im oberbayerischen Kloster Seeon vor die Kameras getreten. Bilder vor verschneiter Chiemgau-Idylle gibt es nicht – draußen regnet es in Strömen. Zum „Gipfeltreffen der bürgerlichkonservativen Politik“ruft Dobrindt die dreitägige Zusammenkunft aus. „68 muss überwunden werden.“Und die Speerspitze dieses „neuen Politikansatzes“soll die CSU sein.
Der dritte starke Mann
Im politischen Kalender nimmt die Klausur der CSU-Landesgruppe seit jeher eine Sonderstellung ein. Mit Forderungen nach standardmäßigen Alterstests für angeblich minderjährige Flüchtlinge und der Kürzung von Asylleistungen schärfen die Christsozialen hinter den Klostermauern auch diesmal ihr Profil.
Für Dobrindt, den neuen Landesgruppenchef, geht es auch darum, sich in der CSU hinter Parteichef Seehofer und dem designierten Ministerpräsidenten Markus Söder als dritter starker Mann in Stellung zu bringen. Nachdem er es bei den JamaikaVerhandlungen als Krawallmacher versuchte, gibt er nun den Vordenker, der den geistigen Überbau für schärfere Asylregeln, die Rückbesinnung auf die Familie und eine „Modernisierung des Wohlstandes“schaffen will. Dobrindt in den Fußstapfen von Helmut Kohl, der zu Beginn seiner Kanzlerzeit zur „geistig moralischen Wende“aufgerufen hatte? Mit seinem Ruf nach der „konservativen Revolution“greift der bisherige Verkehrsminister nicht nur die SPD an, sondern auch Regierungschefin Angela Merkel (CDU). Seine Forderung, es dürfe in der neuen Regierung kein „Weiter so“geben, zielt auf die Kanzlerin der Mitte, die die „Ehe für alle“zuließ und das konservative Lager preisgegeben habe.
In Seeon verfängt sein Vorstoß. Nachdem er im großen Festsaal sein Plädoyer gehalten hat, leuchten die Augen mancher Landesgruppenmitglieder. „In den letzten Regierungsjahren sind viele bürgerliche Positionen geräumt worden“, sagt einer aus dem Führungszirkel. Das Problem: Die CSU hat in den letzten zwölf Jahren mitregiert.
Seehofer gibt sich denn auch schon ganz als Groß-Koalitionär, kündigt an, sich „aus voller Überzeugung“für das Gelingen von SchwarzRot einzusetzen. Er rückt die konkreten Themen in den Vordergrund: „Zuwanderung und Integration, Rente, Gesundheit, Pflege, Mieten.“
Und so müht sich die CSU in Seeon im Spagat: Sticheln gegen SPD und Merkel-CDU. Aber auch Kompromissbereitschaft und das Signal, die Große Koalition nicht torpedieren zu wollen. Denn ein Scheitern von Schwarz-Rot hätte für die CSU schwerwiegende Folgen. Der Landtagswahlkampf würde durch Neuwahlen im Bund massiv belastet. Auch bei der neuen Rollenteilung an der Spitze – Seehofer gibt den Löwen in Berlin, Söder den neuen Landesvater – könnte es zu Komplikationen kommen.
In Seeon ist Söder übrigens „extra“nicht dabei, heißt es. So kann er weder Dobrindt noch Seehofer die Schau stehlen – und sich auf seinen Auftritt bei der Klausur der LandtagsCSU Mitte Januar konzentrieren.