Wenn Weise weisen
Heute, ein Tag vor Dreikönig, bietet sich ein Wort zum Abhaken an, das seit Langem auf der Merkliste steht: weisen. So nennt man es bis heute in Oberschwaben, aber auch Teilen Bayerns und Österreichs, wenn Verwandte, Nachbarn und Bekannte bei der Familie eines neugeborenen Kindes vorbeischauen und Geschenke mitbringen. „Ich gehe zum Weisen bei einer Freundin“, erklärt die eine Frau der anderen, und das ist nicht nur eine Ehrenpflicht, sondern meist auch eine willkommene Gelegenheit, das BabyGucken mit einem Kaffeeklatsch zu verbinden. Aber was hat es nun mit diesem Wort
weisen auf sich, bei dem man spontan in mehrere Richtungen denken kann? Schauen wir uns zunächst einmal an, welche Überlegungen falsch sind: Auch wenn mancherorts Backwerk beim Weisen verschenkt wird, so hat es mit Weißbrot nichts zu tun. Auch nicht mit weißer Wäsche, was bei Strampelhosen oder Windeln ja nicht ganz abwegig wäre. Und schließlich führt leider auch der hübsche Gedanke an die biblische Geschichte rund um die Heiligen Drei Könige in die Irre, die wir aus dem 2. Kapitel des Matthäus-Evangeliums kennen. Da weist der Stern den drei Weisen aus dem Morgenland den Weg zur Krippe in Bethlehem, sie finden das Kind, gehen anbetend in die Knie und schenken ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Also Weisen auf allerhöchstem Niveau! Aber auch die miteinander verwandten Wörter
weisen (eigentlich wissend machen, lehren, zeigen, hinführen) und die Weisen(die Wissenden, Erfahrenen, Klugen, Gelehrten) scheiden als Wurzeln für unser weisen aus. Wie so oft, findet sich eine Erklärung für weisen im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm. Dieses nur noch in süddeutschen Dialekten erhaltene Wort geht wohl auf ein gotisches gaweison
zurück, heimsuchen, besuchen. Althochdeutsch wisod war das Geschenk, das man bei solchen Heimsuchungen mitbrachte – zur Geburt, aber auch zur Taufe oder zur Hochzeit. Und in Weisat, Weiset oder Weisert – je nach Region – lebt es bis heute weiter. Nebenbei erwähnt: Nirgendwo steht in der Bibel, dass es sich bei jenen Weisen aus dem Orient um Könige gehandelt hat. Im griechischen Ausgangstext ist nur von magoi die Rede, wörtlich Magiern, worunter wahrscheinlich Sterndeuter zu verstehen waren. Die Dreizahl ist ebenfalls eine Zutat aus späterer Zeit, und auch die Namen Kaspar, Melchior und Balthasar tauchen erst im 6. Jahrhundert auf. Aber wie auch immer: Der Dreikönigstag gilt allemal als sehr wirkmächtig. Auch die Wetterregeln hat er beeinflusst: Ist Dreikönig hell und klar,
gibt’s viel Wein in diesem Jahr. Auch eine Art Weisat – und wenn die Qualität stimmt, nicht zu verachten. Mal sehen, wie das Wetter morgen wird.