Die närrischen Fetzen fliegen an den Seilen
Gosheimer Narren schmücken die Straßen für das Jubiläumstreffen
- Zügig gleiten die bunten Stofffetzen durch die behandschuhten Hände von Joachim Weber. Der Ehrengausrat der Gosheimer Narrenzunft steht frierend auf einem Autoanhänger, zu seinen Füßen ein Korb voll tausender bunter Wimpel an langen Seilen. Gemeinsam mit einer Gruppe Zunftangehöriger sorgt er dafür, dass Gosheims Straßen pünktlich zum Zunftjubiläum angemessen dekoriert sind. Mit vereinten Kräften spannen die Männer die Seile kreuz und quer über die windigen Gassen zwischen den Häusern.
Drei Trupps aus je einem knappen Dutzend Helfern sind an diesem Morgen unterwegs. Früh um 8 Uhr haben sie angefangen, noch bis weit in den späten Nachmittag werden sie beschäftigt sein. Schließlich gilt es, insgesamt fünf Kilometer Seil zu spannen. Auf einen Meter Leine kommen etwa sechs Stoffwimpel. Für die gesamte Länge ergibt das eine Anzahl von rund 30 000 Stück. In Handarbeit wurden die gefertigt. „Ich würde schätzen, die Hälfte davon ist in den letzten Wochen aus aktuellem Anlass entstanden“, sagt Michael Schändlinger, seines Zeichens zweiter Zunftmeister.
Großes Narrentreffen
Der aktuelle Anlass ist das anstehende Jubiläum. 90 Jahre Narrenzunft Gosheim wollen gehörig gefeiert werden: Nicht weniger als 7000 Hästräger aus rund 70 Zünften werden zum Treffen vom 12. bis zum 14. Januar erwartet. Für Gosheim mit seinen knapp 4000 Einwohnern ist das ein Mega-Event. Motto: Ein Dorf steht Kopf.
Zwar nicht auf dem Kopf, aber doch in luftiger Höhe, steht Zunftmitglied Thomas Mayer. Er hängt die Seile an Regenrinnen, Mauervorsprüngen oder Metallstreben ein. Wo kein Haken da ist, setzt er einen und zieht die flatternden Wimpel fliegende Fetzen quasi - am Seil hindurch. Während Vizezunftmeister und Ehrengausrat sich im Auto und auf dem angehängten Wagen fortbewegen, wuchtet Mayer unermüdlich die schwere Leiter von Hauswand zu Hauswand. Natürlich alles abgesprochen mit den Bewohnern. Schändlinger: „Die sind alle informiert und keiner hat etwas dagegen.“
Viel Unterstützung für die Narren
Manche sind sogar ganz offensichtlich große Freunde des närrischen Treibens. Die Autofahrer bremsen bereitwillig und warten ab, bis die bunten Seile hoch über ihnen gespannt sind. Eine Hausbewohnerin sieht sich zuerst interessiert die Arbeit der Männer an ihrer Regenrinne an, kommt dann mit einem Tablett voll kleiner Gläser und einer Flasche Schnaps zurück. Willkommene Abwechslung in der Kälte. Die Unterstützung für die Narren in Gosheim sei vorbildlich, sagt Schändlinger „Die Leute hier sind voll dabei. Und auch von der Gemeinde bekommen wir aber auch alle anderen Vereine jede Unterstützung, die wir brauchen. Ob es um Geräte geht, um Genehmigungen oder allgemeinen Rückhalt.“Ein wenig mehr Rückhalt hätte sich Joachim Weber auf seinem Anhänger vom Wettergott gewünscht. Bei gefühlten drei Grad Celsius und Windböen lässt er noch immer Wimpel durch seine Hände gleiten, während der Wind ihm Regen ins Gesicht peitscht. „Schön ist das nicht“, sagt er mit Blick in den Himmel, die Mütze tief in die Stirn gezogen. „Aber besser es ist jetzt kalt und regnerisch, als beim Treffen selbst.“Für die tausenden Besucher will schließlich alles perfekt angerichtet sein. Ein ganzes Narrendorf soll in der kommenden Woche entstehen, rund um das Gelände der Firma Hermle. Zwei große Festzelte, Buden, Bühnen und Narrenbaum müssen aufgebaut werden, außerdem ein Zaun rund ums Gelände. „Das ist zum Schutz sowohl der Besucher, als auch der Anwohner gedacht. So haben wir einen kleinen Sicherheitsabstand, dann wird auch kein Grundstück in Mitleidenschaft gezogen, wenn einer mal keine Toilette findet“, sagt Schändlinger und schmunzelt. Auf knapp 500 ehrenamtliche Helfer kann er sich bei Aufbau und Organisation des Treffens verlassen. Ein großer Teil davon ist selbst bei den Gosheimer Narren. Bevor es aber so richtig los geht, ist beim Aufhängen der nächste Abschnitt dran. Eine größere Strecke muss überspannt werden. Schändlinger setzt sich ins Auto und fährt langsam los, Warnblinker eingeschaltet. Auf dem Anhänger hält Joachim Weber das Gleichgewicht gegen den Wind, durch die Hände gleiten die flatternden Wimpel.