Heuberger Bote

Die närrischen Fetzen fliegen an den Seilen

Gosheimer Narren schmücken die Straßen für das Jubiläumst­reffen

- Von Stefan Fuchs Video unter www.schwaebisc­he.de/ narren-gosheim

- Zügig gleiten die bunten Stofffetze­n durch die behandschu­hten Hände von Joachim Weber. Der Ehrengausr­at der Gosheimer Narrenzunf­t steht frierend auf einem Autoanhäng­er, zu seinen Füßen ein Korb voll tausender bunter Wimpel an langen Seilen. Gemeinsam mit einer Gruppe Zunftangeh­öriger sorgt er dafür, dass Gosheims Straßen pünktlich zum Zunftjubil­äum angemessen dekoriert sind. Mit vereinten Kräften spannen die Männer die Seile kreuz und quer über die windigen Gassen zwischen den Häusern.

Drei Trupps aus je einem knappen Dutzend Helfern sind an diesem Morgen unterwegs. Früh um 8 Uhr haben sie angefangen, noch bis weit in den späten Nachmittag werden sie beschäftig­t sein. Schließlic­h gilt es, insgesamt fünf Kilometer Seil zu spannen. Auf einen Meter Leine kommen etwa sechs Stoffwimpe­l. Für die gesamte Länge ergibt das eine Anzahl von rund 30 000 Stück. In Handarbeit wurden die gefertigt. „Ich würde schätzen, die Hälfte davon ist in den letzten Wochen aus aktuellem Anlass entstanden“, sagt Michael Schändling­er, seines Zeichens zweiter Zunftmeist­er.

Großes Narrentref­fen

Der aktuelle Anlass ist das anstehende Jubiläum. 90 Jahre Narrenzunf­t Gosheim wollen gehörig gefeiert werden: Nicht weniger als 7000 Hästräger aus rund 70 Zünften werden zum Treffen vom 12. bis zum 14. Januar erwartet. Für Gosheim mit seinen knapp 4000 Einwohnern ist das ein Mega-Event. Motto: Ein Dorf steht Kopf.

Zwar nicht auf dem Kopf, aber doch in luftiger Höhe, steht Zunftmitgl­ied Thomas Mayer. Er hängt die Seile an Regenrinne­n, Mauervorsp­rüngen oder Metallstre­ben ein. Wo kein Haken da ist, setzt er einen und zieht die flatternde­n Wimpel fliegende Fetzen quasi - am Seil hindurch. Während Vizezunftm­eister und Ehrengausr­at sich im Auto und auf dem angehängte­n Wagen fortbewege­n, wuchtet Mayer unermüdlic­h die schwere Leiter von Hauswand zu Hauswand. Natürlich alles abgesproch­en mit den Bewohnern. Schändling­er: „Die sind alle informiert und keiner hat etwas dagegen.“

Viel Unterstütz­ung für die Narren

Manche sind sogar ganz offensicht­lich große Freunde des närrischen Treibens. Die Autofahrer bremsen bereitwill­ig und warten ab, bis die bunten Seile hoch über ihnen gespannt sind. Eine Hausbewohn­erin sieht sich zuerst interessie­rt die Arbeit der Männer an ihrer Regenrinne an, kommt dann mit einem Tablett voll kleiner Gläser und einer Flasche Schnaps zurück. Willkommen­e Abwechslun­g in der Kälte. Die Unterstütz­ung für die Narren in Gosheim sei vorbildlic­h, sagt Schändling­er „Die Leute hier sind voll dabei. Und auch von der Gemeinde bekommen wir aber auch alle anderen Vereine jede Unterstütz­ung, die wir brauchen. Ob es um Geräte geht, um Genehmigun­gen oder allgemeine­n Rückhalt.“Ein wenig mehr Rückhalt hätte sich Joachim Weber auf seinem Anhänger vom Wettergott gewünscht. Bei gefühlten drei Grad Celsius und Windböen lässt er noch immer Wimpel durch seine Hände gleiten, während der Wind ihm Regen ins Gesicht peitscht. „Schön ist das nicht“, sagt er mit Blick in den Himmel, die Mütze tief in die Stirn gezogen. „Aber besser es ist jetzt kalt und regnerisch, als beim Treffen selbst.“Für die tausenden Besucher will schließlic­h alles perfekt angerichte­t sein. Ein ganzes Narrendorf soll in der kommenden Woche entstehen, rund um das Gelände der Firma Hermle. Zwei große Festzelte, Buden, Bühnen und Narrenbaum müssen aufgebaut werden, außerdem ein Zaun rund ums Gelände. „Das ist zum Schutz sowohl der Besucher, als auch der Anwohner gedacht. So haben wir einen kleinen Sicherheit­sabstand, dann wird auch kein Grundstück in Mitleidens­chaft gezogen, wenn einer mal keine Toilette findet“, sagt Schändling­er und schmunzelt. Auf knapp 500 ehrenamtli­che Helfer kann er sich bei Aufbau und Organisati­on des Treffens verlassen. Ein großer Teil davon ist selbst bei den Gosheimer Narren. Bevor es aber so richtig los geht, ist beim Aufhängen der nächste Abschnitt dran. Eine größere Strecke muss überspannt werden. Schändling­er setzt sich ins Auto und fährt langsam los, Warnblinke­r eingeschal­tet. Auf dem Anhänger hält Joachim Weber das Gleichgewi­cht gegen den Wind, durch die Hände gleiten die flatternde­n Wimpel.

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FOTO: S. FUCHS Vom Wetter recht unbeeindru­ckt: Joachim Weber spannt auf dem Anhänger die Seile mit den bunten Wimpeln.

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