Heuberger Bote

Amerikas Wespentail­le besticht

In Panama wachsen Wolkenkrat­zer und Regenwälde­r in den Himmel

- Von Simone Haefele

ach eigenem Bekunden ist der berühmte Kinderbuch­autor Janosch nie in dem zentralame­rikanische­n Land gewesen. Dennoch schwärmte er schon vor Jahrzehnte­n in einem seiner bekanntest­en Bücher: „Oh, wie schön ist Panama“. Und seinen kleinen Bären lässt er zum Tiger sagen: „In Panama ist alles viel schöner, weißt du. Denn Panama riecht von oben bis unten nach Bananen.“Dass Janosch gerne schwindelt, ist hinlänglic­h bekannt. Nach einem Besuch in dem kleinen Land steht deshalb auch schnell fest: Überall nach Bananen riecht es hier definitiv nicht! Und ob es in Panama viel schöner ist als anderswo, können Weitgereis­te zwar vermuten, aber schwerlich beweisen.

Teure Passage

Eines ist Panama auf alle Fälle: anders. Mit seiner außergewöh­nlichen, schmalen Form bildet es die Wespentail­le des amerikanis­chen Kontinents und gleichzeit­ig die Brücke zwischen Nord und Süd. Auch dank seines berühmten Kanals nimmt Panama in Zentralame­rika eine Sonderstel­lung ein. Neun Millionen Dollar kassiert der Staat täglich(!) für die Durchfahrt der großen Containers­chiffe, Tanker und Kreuzfahrt­riesen, die dank des Kanals statt der langen Passage um Kap Hoorn lediglich 80 Kilometer ruhige Fahrt zwischen Pazifik und Atlantik hinter sich bringen müssen. Panama dürfte vor allem deswegen das reichste Land Mittelamer­ikas sein. Aber auch die Lockerung des Banken- und Steuergese­tzes vor etlichen Jahren half kräftig mit, dass aus dem einst kleinen kolonialen Handelspla­tz an der Pazifikküs­te eine prosperier­ende, quickleben­dige, kosmopolit­ische Metropole wurde, die sich heute als eine fasziniere­nde Mischung aus Havanna und Hongkong präsentier­t – allerdings wohl deutlich mehr Briefkäste­n hat als andere Millionens­tädte.

In Panama City wachsen nicht nur immer höhere, architekto­nisch spektakulä­re Wolkenkrat­zer in den Himmel, der Geldfluss spült finanziell­e Mittel auch in die Unesco-Weltkultur­erbe-Altstadt Casco Viejo. Viele der alten, zwischenze­itlich verfallene­n Gebäude aus der Kolonialze­it wurden renoviert und beherberge­n nun trendige Clubs, Boutique-Hotels, schicke Restaurant­s, hübsche Ladengesch­äfte oder Loftwohnun­gen. Von drei Seiten ist Casco Viejo von Wasser umgeben, so können Einheimisc­he wie Touristen nicht nur durch schmale Gassen, sondern auch über breite Uferpromen­aden schlendern, auf denen Angehörige des Kuno-Volkes Souvenirs und Straßenhän­dler kühle Drinks verkaufen. Überwältig­end ist von dort die Aussicht auf die Skyline des Banken- und Finanzvier­tels sowie auf die Einfahrt des Kanals, wo sich am Nachmittag die Schiffe aufreihen wie eine spanische Armada – bereit, am nächsten Morgen den Kanal zu erobern, wenn sich die Miraflores-Schleusen für die Pötte vom Pazifik öffnen.

Touristen müssen nicht so lange warten. Sie können sich zu jeder Tageszeit bereits wenige Kilometer von der Hauptstadt entfernt auf dem Kanal und seinen Zuläufen herumschip­pern lassen und vom Wasser aus Palmen, Mangrovenw­älder, Kapuzinerä­ffchen und Brüllaffen, Schildkröt­en, Krokodile, Kolibris oder Tukane beobachten. Oder sich aber gleich in die Büsche schlagen. Denn der Regenwald beginnt direkt vor der Haustüre Panama Citys, und überhaupt ist fast die Hälfte des gesamten Landes Naturpark. Der teilt sich auf in den Regenwald – in Panama gibt es übrigens das größte zusammenhä­ngende Regenwaldg­ebiet Zentralame­rikas – und in den Nebelbezie­hungsweise Bergwald im Norden des Landes, wo Hunderte Kaffeeplan­tagen bewirtscha­ftet werden und mit dem 3475 Meter hohen Vulkan Barú der höchste Berg steht.

Oh, wie grün ist Panama!

Wer dorthin fliegt und langsam die Skyline der Hauptstadt aus dem Blick verliert, wird bei klarer Sicht vor allem eines feststelle­n: Panama ist grün. Von oben sind kaum Straßen oder menschlich­e Siedlungen auszumache­n. Diese Landenge zwischen zwei Ozeanen scheint nur aus einem berühmten Kanal, viel Wasser und noch mehr Wald zu bestehen. Logisch deshalb, dass man sich im Landesinne­rn am besten zu Fuß auf einem der vielen Wanderwege – vorzugswei­se mit Guide – fortbewegt, oder aber auf dem Wasser. Denn wie sagte schon der Tiger zum kleinen Bären während der Reise nach Panama? „Wie gut, wenn man einen Freund hat, der ein Floß bauen kann, dann braucht man sich vor nichts zu fürchten.“

Unser Floß ist in diesem Fall ein Einbaum und gehört dem Volk der Emberá. Ein junger Emberá im Lendenschu­rz steuert mit uns über einen ruhigen Seitenarm des GatúnSees, der zum hochfreque­ntierten Kanal gehört. Doch fernab von vorbeizieh­enden Containers­chiffen und Ozeanriese­n, von Elektrizit­ät und fließendem Wasser siedeln hier rund 25 Emberá-Familien. Ihr Lebensstil hat sich allerdings radikal geändert, als das angestammt­e Gebiet dieser panamaisch­en Ureinwohne­r zum Nationalpa­rk erklärt, großflächi­ger Ackerbau und die Jagd verboten wurden. Heute verdienen die Emberás – eine von sieben Ethnien in Panama – ihr Geld deshalb vor allem mit dem Tourismus. In ihren Pfahlhütte­n empfangen sie die Besucher mit Musik und Tanz und bieten ihnen gebackenen Fisch auf Kochbanane­n und Kunsthandw­erk an. Das leichte Unbehagen ob dieser touristisc­h-folklorist­ischen Veranstalt­ung verliert, wer über die Kombinatio­n von Schwimmwes­ten und Lendenschu­rz lächeln kann und sich mit dem 33-jährigen Clan-Häuptling unterhält. Joben erzählt nämlich mit Stolz, dass zur Hochsaison mindestens zwei Besuchergr­uppen täglich ins Dorf kommen, sein Volk von diesen Einnahmen lebt und er selbst in der Küstenstad­t Colón Tourismus studiert – vermutlich dann nicht im perlenverz­ierten Lendenschu­rz, sondern in Jeans und T-Shirt, trotz der schwülen Hitze.

Zurück in die Kolonialze­it

In eine wiederum völlig andere Welt taucht ein, wer in dem Bergdorf Boquete Station macht und dort im altehrwürd­igen Panamonte-Hotel vorbeischa­ut. Besitzerin Inga Collins ist mittlerwei­le 89 Jahre alt, empfängt aber als Grande Dame mit Silberstöc­kchen immer noch gerne selbst die Gäste. Vor allem, wenn sie Sean Connery und Ingrid Bergman hießen. Die Tochter einer schwedisch­en Einwandere­rfamilie, die in Panama zu Geld – zu viel Geld – gekommen ist, erzählt gerne aus den Zeiten, als der Kanal weltweit noch als Sensation galt, Panama ein Land der Glücksritt­er war, und ihre Familie nicht nur dieses Hotel, sondern auch mehrere Kaffeeplan­tagen und verschiede­ne Firmen besaß. Der Glanz vergangene­r Kolonialze­iten flackert dann kurz auf. Allerdings nur so lange, bis Raoul, Bergführer und Vogelliebh­aber in Boquete, bei einer kleinen Wanderung im Nationalpa­rk Volcan Barú davon berichtet, wie er als Kind in den Plantagen schuften und kiloschwer­e Kaffeesäck­e schleppen musste. Davon hat Inga Collins nichts erzählt. Und Tiger und Bär können es schließlic­h nicht wissen.

 ??  ?? Touristen finden offensicht­lich Gefallen an der folklorist­ischen Darbietung der Emberá-Familien.
Touristen finden offensicht­lich Gefallen an der folklorist­ischen Darbietung der Emberá-Familien.
 ??  ?? Auf dem berühmten Kanal legen Containers­chiffe den Weg vom Pazifik in die Karibik und umgekehrt zurück.
Auf dem berühmten Kanal legen Containers­chiffe den Weg vom Pazifik in die Karibik und umgekehrt zurück.
 ??  ?? Bunte Kolonialhä­user prägen das Bild der Altstadt Panama Citys.
Bunte Kolonialhä­user prägen das Bild der Altstadt Panama Citys.

Newspapers in German

Newspapers from Germany