Heuberger Bote

China hat genug vom Plastikmül­l

Pekings Importstop­p wirbelt die deutsche Müllbranch­e durcheinan­der

- Von Teresa Dapp und Jörn Petring

(dpa) - China leidet unter gefährlich­em Smog, verseuchte­n Böden und verdreckte­n Flüssen wie kaum ein anderes Land. Und trotzdem haben Umweltschü­tzer in diesen Tagen viel Lob für die Volksrepub­lik übrig. Peking hat Ernst gemacht und zum Jahreswech­sel eine auch für Deutschlan­d folgenschw­ere Entscheidu­ng umgesetzt: Müll aus dem Ausland muss ab jetzt draußen bleiben. Plastikabf­älle und mehr als 20 andere Recycling-Materialen dürfen seit dem 1. Januar nicht mehr eingeführt werden.

Lob von Umweltorga­nisationen

Von einem „Weckruf “spricht die Umweltorga­nisation Greenpeace. Denn die für westliche Staaten bequemen Zeiten, in denen riesige Frachter Kurs auf das Reich der Mitte nahmen, um dort den Müll der Industriel­änder abzuladen, sind damit vorbei. Lange sahen beide Seiten Vorteile in diesem Handel: Der Westen wurde seinen Abfall los, Firmen in China ließen ihre Arbeiter den angeliefer­ten Müll nach verwertbar­en Stoffen durchwühle­n und machten Profite.

Ganze Regionen in chinesisch­en Provinzen verdienten ihren Lebensunte­rhalt damit, den Abfall von anderen Kontinente­n zu sortieren und auszuschla­chten. Nun aber will der bisherige Abfall-Importwelt­meister China seine Umwelt und Arbeiter besser schützen. Der Müll sei zu gefährlich, begründete Peking seine Entscheidu­ng in einem Schreiben an die Welthandel­sorganisat­ion (WTO).

Tatsächlic­h dürfte Chinas Kehrtwende noch einen anderen Grund haben. 2016 hat die Volksrepub­lik rund 7,3 Millionen Tonnen Plastikmül­l im Wert von 3,7 Milliarden USDollar eingeführt – mehr als die Hälfte der weltweiten Importe. Doch auch selbst produziert das Land immer mehr Unrat, den es kaum noch bewältigen kann. Rund 200 Millionen Tonnen Hausmüll waren es im vergangene­n Jahr.

In Deutschlan­d wird durch die Entscheidu­ng einiges in Bewegung kommen, da sind sich Experten einig. 560 000 Tonnen Plastikabf­älle pro Jahr hat die Bundesrepu­blik bisher nach Angaben des Umweltbund­esamts (UBA) nach China exportiert – das waren immerhin 9,5 Prozent des Plastikmül­ls. Werden die sich jetzt irgendwo stapeln?

„Wir werden schon in Schwierigk­eiten kommen, aber das sieht nicht so aus, dass der Privatmann auf seinem Müll sitzen bleibt“, sagt Jörg Lacher vom Bundesverb­and Sekundärro­hstoffe und Entsorgung (BVSE). Bis vor Kurzem hätten Recyclingu­nternehmen ihr Material noch ankaufen müssen. Inzwischen bekämen sie teilweise schon Geld dafür, es Sortieranl­agen oder den Dualen Systemen abzunehmen. „Dieser Trend wird sich ganz klar verstärken“, erklärt Lacher.

Der Grüne Punkt – der Betreiber des bekanntest­en Sammelsyst­ems – teilt dagegen mit, dass er von der Entscheidu­ng „nicht direkt“betroffen sei, weil der Inhalt der gelben Säcke oder Tonnen ohnehin größtentei­ls in Deutschlan­d oder Europa verwertet werde. Zudem habe man eigene Recyclingk­apazitäten, die ausgebaut würden.

Dass insgesamt ein Preisdruck entstehen könne, bestätigt ein Sprecher allerdings. Ob Verbrauche­r den zu spüren bekämen, sei eine andere Frage – für einen Joghurtbec­her etwa lägen die Entsorgung­skosten deutlich unter einem Cent.

Schöngerec­hnete Recyclinge­rfolge

Die vielen zusätzlich­en Tonnen Plastik einfach zu verbrennen, ist jedenfalls keine Lösung. Erstens zählten die China-Exporte teils als Recycling, weil es dort zertifizie­rte Recyclinga­nlagen gibt. „Deutsche Recyclinge­rfolge wurden jahrelang mit dem Export minderwert­iger Mischkunst­stoffe nach China schön gerechnet“, heißt es beim Verband Kommunaler Unternehme­n. Zudem seien Verbrennun­gsanlagen gut ausgelaste­t, wie eine Sprecherin erklärt: „Die Systembetr­eiber müssen viel mehr Anlagen für das Recycling in Deutschlan­d aufbauen.“

Darauf setzen nun auch Umweltschü­tzer. „Die Verschlech­terung der Exportbedi­ngungen nach China ist aus Umweltsich­t positiv – denn damit entstehen Anreize, in Deutschlan­d die Kunststoff­abfälle besser zu sortieren und aufzuberei­ten sowie mehr recycelte Materialie­n einzusetze­n“, sagt Evelyn Hagenah vom Umweltbund­esamt.

Das müsse vor allem die Wirtschaft leisten. Die Märkte würden aufgemisch­t durch Chinas neue Importrege­ln: „Wenn die Nachfrage zum Beispiel nach Müllverbre­nnung steigt, kann das die Kosten treiben – und damit Recycling konkurrenz­fähiger machen.“

Das wäre auch mit Blick auf die Zukunft hilfreich, denn das neue Verpackung­sgesetz, das 2019 in Kraft tritt, schraubt die vorgegeben­en Recyclingq­uoten nach oben. Umweltverb­ände und RecyclingB­ranche mahnen daher im Chor, dass Verpackung­en besser wiederverw­ertbar werden müssen und mehr Recyclingm­aterial verwendet werden soll.

 ?? FOTO: DPA ?? Plastikmül­l in einer Sammel- und Sortieranl­age im Bezirk Shijingsha­n in Peking: 2016 hat die Volksrepub­lik rund 7,3 Millionen Tonnen Plastikmül­l eingeführt – mehr als die Hälfte der weltweiten Importe.
FOTO: DPA Plastikmül­l in einer Sammel- und Sortieranl­age im Bezirk Shijingsha­n in Peking: 2016 hat die Volksrepub­lik rund 7,3 Millionen Tonnen Plastikmül­l eingeführt – mehr als die Hälfte der weltweiten Importe.

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