Geschwindigkeit ist relativ
So als hauptamtlicher Opa holte ich mit einer gewissen Regelmäßigkeit meine Enkelin in Stuttgart Hbf vom ICE Sprinter aus Richtung Berlin ab, um die Bahnreise dann mit der Gäubahn gemütlich für zwei Stunden ausklingen zu lassen.
„Wie schnell fahren wir denn jetzt“, fragte die ICE-erprobte Enkelin mal im Neckartal zwischen Horb und Oberndorf. „So um die 80, vielleicht auch 90“, schätzte ich. „Puh“, meinte sie geringschätzig. „Aber wir überholen gerade sogar einen Porsche“, deutete ich auf die parallel zum Schienenstrang verlaufende Straße. „Sonntagsfahrer“, war ihre knappe Antwort am Freitagabend.
Aber das sind inzwischen „tempi passati“– vergangene Zeiten. Jetzt fährt man auf der Gäubahn ja bekanntlich allgemein Intercity und man ist laut Fahrplan um rund eine Viertelstunde schneller als bisher. Nur, ob man früher am Ziel ankommt, ist jetzt die offene Frage. An Dreikönig jedenfalls verbummelte der nachmittägliche Intercity Richtung Stuttgart bei seinem Halt in Herrenberg aus unerfindlichen Gründen gut zwölf Minuten und weitere Zeit wurde in Stuttgart noch knapp vor Erreichen des Bahnsteigs verloren. Der Zeitgewinn laut Fahrplan war Fiktion. Da war die Durchsage vom Band – „Sie erreichen alle geplanten Anschlüsse“. – Sarkasmus pur. Ältere Herrschaften sah man jedenfalls nach der Ankunft auf dem Bahnsteig beim vergeblichen Versuch rennend Zeit zu gewinnen. „Oh heida Schtuegert!“
Und die Rückfahrt? Diese schien zunächst unauffällig zu laufen. Aber im modernen Zug ließ sich am eingebauten Bildschirm nach und nach wunderbar beobachten wie sich bis Tuttlingen ein Zeitverlust von knapp zehn Minuten kontinuierlich aufbaute. Laut Plan sollte man 16.58 Uhr Tuttlingen erreicht haben. Aber zu diesem Zeitpunkt war man exakt erst in Spaichingen. Na ja, viele Anschlüsse konnten nicht verpasst worden sein. Wer von auswärts kommt fährt „g’scheiter“mit dem Privatauto zum Bahnhof nach Tuttlingen. Sonnund feiertags zumindest, weil man da immerhin die Chance hat, einen Parkplatz zu finden. (wasa)