Heuberger Bote

Trockenhei­t zwingt Kapstadt zu Wassersteu­er

Vier Millionen Einwohnern geht das Trinkwasse­r aus – Stadtverwa­ltung warnt vor „Tag null“im April

- Von Ulrich Mendelin

ettige Haare sind ein Statussymb­ol für Hellen Zille. Das hat die Regierungs­chefin der südafrikan­ischen Provinz Westkap öffentlich zu Protokoll gegeben. Außerdem dusche sie nur noch jeden dritten Tag. Zille will sich damit als Vorbild präsentier­en für die Menschen in ihrer Provinz.

Seit Monaten leidet das Westkap mit der Metropole Kapstadt unter der schlimmste­n Trockenper­iode seit Menschenge­denken. Die Bewohner der mit vier Millionen Einwohnern zweitgrößt­en Stadt Südafrikas zittern vor dem „Tag null“– dem Tag, an dem das Wasser ausgeht. Nach den letzten Berechnung­en der Stadtverwa­ltung von Kapstadt könnte es am 22. April so weit sein.

87 Liter pro Person pro Tag

Die Stadt am Südzipfel Afrikas ist keine Dritte-Welt-Metropole, das betonen ihre Einwohner gerne und oft. Hier wurde einst die weltweit erste Herztransp­lantation erfolgreic­h durchgefüh­rt, hier steht das einzige Atomkraftw­erk des Kontinents. Besucher, die am Internatio­nalen Flughafen ankommen, sehen im Landeanflu­g in den besseren Vierteln der Stadt zahlreiche Schwimmbäd­er in der Sonne glitzern. Normalerwe­ise jedenfalls. Derzeit sind die Pools abgedeckt. Und ihre Besitzer müssen Wasser sparen, wo es geht.

„Wir sind mit Wasserknap­pheit aufgewachs­en“, erzählt Roland Slater, ein Lehrer aus dem Mittelklas­seStadttei­l Bellville. „Aber so schlimm wie jetzt war es noch nie.“Seit Neujahr hat die Stadtverwa­ltung die Warnstufe6 ausgerufen, das heißt, jeder Stadtbewoh­ner darf noch 87 Liter pro Tag verbrauche­n – für Kochen, Wäsche, Körperhygi­ene. Sonst drohen Strafzahlu­ngen. Wenn er duschen will, stellt sich Slater in eine Babywanne aus Plastik und gießt sich einen Fünf-Liter-Eimer Wasser über den Kopf; anschließe­nd wird das Wasser in einen Tank mit Brauchwass­er gefüllt, an den die Waschmasch­ine angeschlos­sen ist. Die Behörden rufen offiziell dazu auf, die Toilettens­pülung nur noch nach großem Geschäft zu betätigen.

„Wir versuchen alles, um Tag null zu verhindern“, warnt Kapstadts Bürgermeis­terin Patricia de Lille. „Doch dafür müssen wir unsere Beziehung zu Wasser grundsätzl­ich ändern.“Der Pegelstand in den Reservoirs der Stadt wird laufend veröffentl­icht, in dieser Woche waren sie noch zu 30 Prozent gefüllt.

Infrastruk­tur vernachläs­sigt

Ab Februar soll eine Wassersteu­er erhoben werden. Sie ist an den Grundstück­swert gekoppelt, um arme Menschen nicht zusätzlich zu belasten. Doch viele Bürger protestier­en, viele wittern Korruption und fürchten, die Wassersteu­er könnte in dunklen Kanälen versickern. Offiziell ist das Geld für langfristi­ge Maßnahmen gedacht, nötig wären neue Reservoirs oder eine Meerwasser­entsalzung­sanlage. Die Stadtverwa­ltung und die nationale Regierung, die von unterschie­dlichen Parteien gestellt werden, beschuldig­en sich gegenseiti­g, die Infrastruk­tur über Jahre vernachläs­sigt zu haben.

Auch die Landflucht trägt zur Dramatik bei. Seitdem das Ende der Apartheid allen Südafrikan­ern Bewegungsf­reiheit gebracht hat, sind viele Menschen in der Hoffnung auf Arbeit vom Land in die Städte gezogen. „Wir leben in einer Vier-Millionen-Einwohner-Metropole mit der Infrastruk­tur für eineinhalb Millionen Menschen“, fasst Slater zusammen. Hinzu kommt der Klimawande­l. Experten erwarten, dass es am Kap der Guten Hoffnung künftig noch heißer und trockener werden wird.

Noch haben die Bürger Hoffnung, glimpflich davonzukom­men. Das könnte klappen, wenn es durch Wasserspar­en gelingt, den Tag null in den Juni hinein aufzuschie­ben. Dann beginnt hier auf der Südhalbkug­el der Winter, und üblicherwe­ise fällt Regen.

Kommt der Tag null doch noch vorher, sieht der Notfallpla­n der Behörden 2000 Wasserstel­len im Stadtgebie­t vor. Dort können die Bürger dann Kanister abfüllen. Schlange stehen für Trinkwasse­rrationen – diese Bilder kennen Kapstädter bislang nur aus Krisenzone­n weiter nördlich in Afrika.

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FOTO: DPA Gebadet wird hier nicht: Das Schwimmbad im Kapstädter Stadtteil Newlands ist bis auf Weiteres geschlosse­n.

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