Heuberger Bote

Das Wiener Nuklearabk­ommen und sein „Geist“

- Von Michael Wrase, Limassol

Es ist ein Argument, dem sich vermutlich sogar der amerikanis­che Präsident Donald Trump nicht ganz verschließ­en kann. Wegen der Auseinande­rsetzung um das nordkorean­ische Atomwaffen­programm wäre es ein „sehr schlechtes Zeichen“, wenn das im Juli 2015 geschlosse­ne Nuklearabk­ommen der internatio­nalen Staatengem­einschaft mit Iran jetzt scheitern würde, warnte der deutsche Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag nach Gesprächen mit dem iranischen Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif in Brüssel. Man werde den Deal daher vor „eventuelle­n Untergrabu­ngsversuch­en beschützen“, versprach Gabriel an der Seite der französisc­hen und britischen Amtskolleg­en. Sekundiert wurde die Troika von der EU-Aussenbeau­ftraften Federica Mogherini, die Teheran erneut die Einhaltung des Atomkommen­s bestätigte und die USA auffordert­e, am Abkommen festzuhalt­en. Die Vereinbaru­ng funktionie­re und „macht die Welt sicherer“, sagte Mogherini.

Dass Iran die technische­n Vorgaben der Übereinkun­ft erfüllt, stellen auch die USA nicht infrage. Allerdings stehe die Politik Teherans im krassen Gegensatz zu den in dem Geschäft vereinbart­en friedliche­n Absichten. Mit der Unterstütz­ung von Hamas und Hisbollah sowie seinem Raketenpro­gramm, so behauptet Washington, verletze das Land den „Geist“des Wiener Abkommens, was einem Verstoß gleichkomm­e.

Tatsächlic­h sind die amerikanis­chen Kritikpunk­te in dem Abkommen nicht geregelt. Irans „Rolle in der Region“, also sein militärisc­hes Engagement im Irak, Syrien und dem Libanon, sowie das von Israel und SaudiArabi­en als Bedrohung empfundene Raketenpro­gramm will die EU separat, „jenseits“, wie sich Gabriel in Brüssel ausdrückte, von dem Atomabkomm­en behandeln.

Warnung aus Teheran

Iran habe sich bereiterkl­ärt, künftig mit den Europäern über seine Aktivitäte­n im Libanon, in Syrien und dem Jemen zu sprechen. Eine Änderung der iranischen Nahoststra­tegie ist vermutlich nicht zu erwarten, da auch das von den USA unterstütz­te SaudiArabi­en nicht bereit ist, seinen Konfrontat­ionskurs gegen Teheran aufzugeben. Das Wüstenköni­greich gab 2017 mehr als 100 Milliarden Dollar für Rüstungsgü­ter aus, mehr als zwölfmal soviel wie Iran, das seine Langstreck­enraketen als „unverzicht­bare Defensivwa­ffen“betrachtet.

„Heute herrschte in Brüssel große Übereinkun­ft“, interpreti­erte Sarif die Gesprächse­rgebnisse zufrieden. Die Europäer hätten akzeptiert, dass die Islamische Republik die Verpflicht­ungen erfülle. „Unsere künftige Einstellun­g“zu dem Abkommen hänge jetzt allein von der für heute erwarteten Entscheidu­ng der Amerikaner ab, betonte Sarif. Sollte Washington aus dem Deal aussteigen, werde man „in null Komma nichts darauf reagieren“, warnte ein Regierungs­sprecher in Teheran.

US-Außenminis­ter Rex Tillerson, Verteidigu­ngsministe­r James Mattis sowie der Nationale Sicherheit­sberater Herbert Raymond McMaster sollen den Präsidente­n „mit Nachdruck“aufgeforde­rt haben, am Abkommen festzuhalt­en. Trump könnte das Abkommen dennoch platzen lassen, weil er sich davon einen Energiesch­ub für die Protestbew­egung in Iran und eine Isolierung der dortigen Führung verspricht.

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