Das Wiener Nuklearabkommen und sein „Geist“
Es ist ein Argument, dem sich vermutlich sogar der amerikanische Präsident Donald Trump nicht ganz verschließen kann. Wegen der Auseinandersetzung um das nordkoreanische Atomwaffenprogramm wäre es ein „sehr schlechtes Zeichen“, wenn das im Juli 2015 geschlossene Nuklearabkommen der internationalen Staatengemeinschaft mit Iran jetzt scheitern würde, warnte der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag nach Gesprächen mit dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in Brüssel. Man werde den Deal daher vor „eventuellen Untergrabungsversuchen beschützen“, versprach Gabriel an der Seite der französischen und britischen Amtskollegen. Sekundiert wurde die Troika von der EU-Aussenbeauftraften Federica Mogherini, die Teheran erneut die Einhaltung des Atomkommens bestätigte und die USA aufforderte, am Abkommen festzuhalten. Die Vereinbarung funktioniere und „macht die Welt sicherer“, sagte Mogherini.
Dass Iran die technischen Vorgaben der Übereinkunft erfüllt, stellen auch die USA nicht infrage. Allerdings stehe die Politik Teherans im krassen Gegensatz zu den in dem Geschäft vereinbarten friedlichen Absichten. Mit der Unterstützung von Hamas und Hisbollah sowie seinem Raketenprogramm, so behauptet Washington, verletze das Land den „Geist“des Wiener Abkommens, was einem Verstoß gleichkomme.
Tatsächlich sind die amerikanischen Kritikpunkte in dem Abkommen nicht geregelt. Irans „Rolle in der Region“, also sein militärisches Engagement im Irak, Syrien und dem Libanon, sowie das von Israel und SaudiArabien als Bedrohung empfundene Raketenprogramm will die EU separat, „jenseits“, wie sich Gabriel in Brüssel ausdrückte, von dem Atomabkommen behandeln.
Warnung aus Teheran
Iran habe sich bereiterklärt, künftig mit den Europäern über seine Aktivitäten im Libanon, in Syrien und dem Jemen zu sprechen. Eine Änderung der iranischen Nahoststrategie ist vermutlich nicht zu erwarten, da auch das von den USA unterstützte SaudiArabien nicht bereit ist, seinen Konfrontationskurs gegen Teheran aufzugeben. Das Wüstenkönigreich gab 2017 mehr als 100 Milliarden Dollar für Rüstungsgüter aus, mehr als zwölfmal soviel wie Iran, das seine Langstreckenraketen als „unverzichtbare Defensivwaffen“betrachtet.
„Heute herrschte in Brüssel große Übereinkunft“, interpretierte Sarif die Gesprächsergebnisse zufrieden. Die Europäer hätten akzeptiert, dass die Islamische Republik die Verpflichtungen erfülle. „Unsere künftige Einstellung“zu dem Abkommen hänge jetzt allein von der für heute erwarteten Entscheidung der Amerikaner ab, betonte Sarif. Sollte Washington aus dem Deal aussteigen, werde man „in null Komma nichts darauf reagieren“, warnte ein Regierungssprecher in Teheran.
US-Außenminister Rex Tillerson, Verteidigungsminister James Mattis sowie der Nationale Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster sollen den Präsidenten „mit Nachdruck“aufgefordert haben, am Abkommen festzuhalten. Trump könnte das Abkommen dennoch platzen lassen, weil er sich davon einen Energieschub für die Protestbewegung in Iran und eine Isolierung der dortigen Führung verspricht.