Lyrik und Prosa hautnah
Musikstudenten tragen Texte von 1782 bis 2014 vor
– 21 Studenten des Fachs „Sprechen“an der Musikhochschule haben am Mittwochabend in der kleinen Aula Texte aus der Zeit von 1782 bis 2014 präsentiert.
Von der Spitzmaus und vom Panther hinter tausend Stäben war die Rede. Auch von „murmelndem Blut“, von dem „schiefesten Orkus“und der Wölfe Hungergeheul. Doch zwischen den dramatischen Rezitationen gab es auch was zu lachen: Als Karoline Greiner sich mit den Worten Sybille Bergs aus „Bettina fährt Taxi“den zahlreichen Zuhörern anvertraute.
Ihnen ihr „igitt!“über Horrorfilme entgegenrief, doch im selben Atemzug die grausigsten Details daraus erzählte. Und eingestand, dass sie gar keine Lust habe, sich zu verlieben. Auch über die recht intimen Geständnisse einer RechtsanwaltsTippse wird im Saal gekichert: Miriam Gluth schlüpfte gekonnt in die Rolle des „kunstseidenen Mädchens“, wie von Irmgard Keun in ihrem Zeitroman 1932 vorgegeben.
Unter den fünf von Florence Awotula vorgetragenen Texten waren zwei auf Englisch: Thomas Hardys Mutmacher „Wagtail and Baby“sowie Edgar Allen Poes 24-Zeiler „A Dream Within a Dream aus dem Jahr 1849. Ein ähnliches Motiv hatte Kurt Tucholsky beim Verfassen seiner „Gefühle“anno 1925, die Marlene Holzwarth mit bestens eingesetzter Mimik und Gestik rezitierte.
Köstlich bitterböse und rachsüchtig
Nicht allen Studierenden gelang es, die Worte mit Körpersprache zu untermauern. Sind einige von ihnen doch erst seit wenigen Monaten in den Kursen von Sabine A. Werner. Die Dozentin freut es aber, dass an der Werkschau nicht nur Studierende, die nach drei Jahren kurz vor der Abschlussprüfung stehen, sondern auch Erstsemester teilgenommen haben. In dem einen oder anderen Fall wäre ein einfacherer Text ein besserer Griff gewesen.
Tadellos präsentiert aber war der Haupttext, die Beschreibung der Orgelimprovisation des Johannes Elias Alder aus Robert Schneiders Debütroman „Schlafes Bruder“: Inga-Maria Christiansen berichtete von den „Kaskaden unglaublicher Verzweiflung“, der „schockwirkenden Zäsur“und dem „gleißenden, nicht mehr enden wollenden Dur“jenes „kuriosen Naturgenies“, auf mitreißende Art. „Vivat!“
Köstlich bitterböse und rachsüchtig gab sich Sophie Lauerer in Mörikes „Die Tochter der Heide“, als sie drohte „Soll rot in Flammen steh‘n das Haus, die Gäste schreien und rennen!“. Mit Geheul und pointierten Worten machte das Trio aus Sandra Bommeli, Clara Cazanelli und Johanne Fricke bei Goethes „Zigeunerlied“Furore. Für Gänsehaut beim Publikum sorgte Simon Hegele mit einem 220 Jahre alten Werk: Schillers Ballade „Die Bürgschaft“. So wie einst in Syrakus blieb auch in Trossingen „kein Auge tränenleer“nach dieser eindrucksvollen Deklamation des spannenden Mini-Epos.
Mit kräftigem Applaus dankte das Stammpublikum den Vortragenden und der Dozentin.