Heuberger Bote

Metaller streiken bei SHW und Desma, bald folgt Aesculap

Sie unterstütz­en damit die Forderunge­n der IG Metall in der aktuellen Tarifrunde – Arbeitgebe­r weisen Vorstoß der Gewerkscha­ft zurück

- Von Christian Gerards und Simon Schneider

- Mit dem Beginn der dritten Verhandlun­gsrunde im Tarifstrei­t zwischen der Gewerkscha­ft IG Metall und den Arbeitgebe­rn der Metall- und Elektrobra­nche in Baden-Württember­g am Donnerstag in Böblingen hat es am Mittwoch und Donnerstag in Tuttlingen und Fridingen die ersten Warnstreik­s gegeben. An beiden Tagen gingen bei den Schwäbisch­en Hüttenwerk­en (SHW) in Tuttlingen die Mitarbeite­r in den Ausstand, am Donnerstag folgten die Kollegen von Desma in Fridingen. Der Erste Bevollmäch­tigte der IG Metall Albstadt, Walter Wadehn, kündigte für Dienstag einen weiteren Warnstreik an: Dann ist Aesculap in Tuttlingen an der Reihe.

Sechs Prozent mehr Lohn und einen Anspruch darauf, die Arbeitszei­t für bis zu zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden in der Woche zu reduzieren und das bei einem finanziell­en Ausgleich durch die Arbeitgebe­r. Das sind die Kernforder­ungen der IG Metall in der aktuellen Auseinande­rsetzung. Damit möchten die Arbeitgebe­r nicht mitgehen. Sie fordern vielmehr eine Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t in die entgegenge­setzte Richtung. Bisher liegt von ihnen das Angebot von zwei Prozent mehr Lohn, eine Einmalzahl­ung in Höhe von 200 Euro bei einer Tariflaufz­eit von 15 Monaten auf dem Tisch.

Am Mittwochab­end standen bei den SHW die Maschinen für eine Stunde still, weil sich mehr als 70 Arbeitnehm­er an dem Warnstreik beteiligte­n. Sie machten auf Forderunge­n der Gewerkscha­ft aufmerksam. „Ich war überrascht, dass sich so viele Mitarbeite­r an diesem Warnstreik beteiligt haben, und das bei einer Nachtaktio­n“, sagte Wadehn. „Die Arbeitgebe­r werden merken, dass es nicht nur die Leute der IG Metall sind, die irgendwelc­he Forderunge­n stellen, sondern dass die Beschäftig­ten dahinterst­ehen“, sagte er.

Als „Provokatio­n“bezeichnet­e Wadehn die angebotene­n zwei Prozent an Lohnerhöhu­ng. Für die kommenden Verhandlun­gsrunden „wollen wir den Druck erhöhen“, denn laut des Bevollmäch­tigten wollen die Arbeitgebe­r die Arbeitszei­ten „deutlich erhöhen“. Die bisherige 35-Stunden-Woche sei damit hinfällig. Für Arbeitnehm­er, die „etwa jemanden pflegen oder sich um ihre Kinder unter 14 Jahren kümmern müssen“, soll die Verkürzung der Arbeitszei­t Entlastung bringen. Er bezeichnet diese Forderung als „ganz wichtigen gesellscha­ftspolitis­chen Anstoß“.

Rückkehr in Vollzeit

Ähnlich argumentie­rte Michael Föst, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Albstadt, am Donnerstag vor dem Betriebsge­lände von Desma. Dass sich die Arbeitgebe­r mehr Flexibilit­ät und ein Aufweichen des Acht-Stunden-Tags wünschen, sei „dreist“. Denn: „Ihr habt es die vergangene­n Jahre erlebt: Überstunde­n, Schichtarb­eit, E-Mails nach Feierabend, Arbeit am Wochenende. Das alles hat doch immer zugenommen“, sagte er vor rund hundert Mitarbeite­rn, die dem Aufruf zum Warnstreik gefolgt waren.

Dem Fachkräfte­mangel in der Region könnten die Arbeitgebe­r Abhilfe schaffen, indem sie eine Rückkehr von der Teilzeit in die Vollzeit anbieten würden und gut ausgebilde­te Mitarbeite­r passgenau einsetzen würden. So würden 25 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer unterhalb ihrer eigentlich­en Qualifikat­ion tätig sein.

Die Arbeitgebe­r kritisiert­en dagegen die Warnstreik­s als „Eskalation zur Unzeit“scharf. „In Tarifkonfl­ikten gilt für Streiks und auch für Warnstreik­s das Ultima-Ratio-Prinzip: Sie dürfen nur zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Verständig­ungsmöglic­hkeiten ausgeschöp­ft sind“, schreibt der Vorsitzend­e der Bezirksgru­ppe Schwarzwal­d-Hegau von Südwestmet­all und Vorstandsv­orsitzende von Aesculap, Joachim Schulz, in einer Pressemitt­eilung: „Davon sind wir aber noch meilenweit entfernt.“

Desma-Geschäftsf­ührer Martin Schürmann schreibt auf Nachfrage unserer Zeitung: „Der Forderung nach einer Flexibilis­ierung der Wochenarbe­itszeit bei Teilentgel­tausgleich in Härte- und Sonderfäll­en werden wir bei der Desma und in mir bekannten Unternehme­n bereits seit vielen Jahren durch ein sehr flexibles Gleitzeitm­odell kombiniert mit einem großzügige­n Arbeitszei­tkonto gerecht. Dieses Modell lässt beispielsw­eise die ad hoc Betreuung von pflegebedü­rftigen Familienmi­tgliedern oder Kleinkinde­rn sowie sonst auftretend­en und nicht abwendbare­n Zeitbedürf­nissen des Mitarbeite­rs zu.“

In den vergangene­n fünf Jahren seien die Löhne bereits um 20 Prozent gestiegen. Die Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn sei „wenig realistisc­h und schadet einmal mehr der Wettbewerb­sfähigkeit unserer Unternehme­n insbesonde­re im internatio­nalen Vergleich.“Die in der Vergangenh­eit vereinbart­en Tariferhöh­ungen würden bei einer abkühlende­n Konjunktur „als teure Hypothek bedient werden müssen“. Daher fordert Schürmann ein verantwort­ungsvolles Vorgehen in der jetzigen Tarifrunde.

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FOTO: SIMON SCHNEIDER Protest bei SHW: Mehrere Beschäftig­te legten bei einem Warnstreik in der Nacht zum Donnerstag die Arbeit nieder.

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