Metaller streiken bei SHW und Desma, bald folgt Aesculap
Sie unterstützen damit die Forderungen der IG Metall in der aktuellen Tarifrunde – Arbeitgeber weisen Vorstoß der Gewerkschaft zurück
- Mit dem Beginn der dritten Verhandlungsrunde im Tarifstreit zwischen der Gewerkschaft IG Metall und den Arbeitgebern der Metall- und Elektrobranche in Baden-Württemberg am Donnerstag in Böblingen hat es am Mittwoch und Donnerstag in Tuttlingen und Fridingen die ersten Warnstreiks gegeben. An beiden Tagen gingen bei den Schwäbischen Hüttenwerken (SHW) in Tuttlingen die Mitarbeiter in den Ausstand, am Donnerstag folgten die Kollegen von Desma in Fridingen. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Albstadt, Walter Wadehn, kündigte für Dienstag einen weiteren Warnstreik an: Dann ist Aesculap in Tuttlingen an der Reihe.
Sechs Prozent mehr Lohn und einen Anspruch darauf, die Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden in der Woche zu reduzieren und das bei einem finanziellen Ausgleich durch die Arbeitgeber. Das sind die Kernforderungen der IG Metall in der aktuellen Auseinandersetzung. Damit möchten die Arbeitgeber nicht mitgehen. Sie fordern vielmehr eine Flexibilisierung der Arbeitszeit in die entgegengesetzte Richtung. Bisher liegt von ihnen das Angebot von zwei Prozent mehr Lohn, eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro bei einer Tariflaufzeit von 15 Monaten auf dem Tisch.
Am Mittwochabend standen bei den SHW die Maschinen für eine Stunde still, weil sich mehr als 70 Arbeitnehmer an dem Warnstreik beteiligten. Sie machten auf Forderungen der Gewerkschaft aufmerksam. „Ich war überrascht, dass sich so viele Mitarbeiter an diesem Warnstreik beteiligt haben, und das bei einer Nachtaktion“, sagte Wadehn. „Die Arbeitgeber werden merken, dass es nicht nur die Leute der IG Metall sind, die irgendwelche Forderungen stellen, sondern dass die Beschäftigten dahinterstehen“, sagte er.
Als „Provokation“bezeichnete Wadehn die angebotenen zwei Prozent an Lohnerhöhung. Für die kommenden Verhandlungsrunden „wollen wir den Druck erhöhen“, denn laut des Bevollmächtigten wollen die Arbeitgeber die Arbeitszeiten „deutlich erhöhen“. Die bisherige 35-Stunden-Woche sei damit hinfällig. Für Arbeitnehmer, die „etwa jemanden pflegen oder sich um ihre Kinder unter 14 Jahren kümmern müssen“, soll die Verkürzung der Arbeitszeit Entlastung bringen. Er bezeichnet diese Forderung als „ganz wichtigen gesellschaftspolitischen Anstoß“.
Rückkehr in Vollzeit
Ähnlich argumentierte Michael Föst, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Albstadt, am Donnerstag vor dem Betriebsgelände von Desma. Dass sich die Arbeitgeber mehr Flexibilität und ein Aufweichen des Acht-Stunden-Tags wünschen, sei „dreist“. Denn: „Ihr habt es die vergangenen Jahre erlebt: Überstunden, Schichtarbeit, E-Mails nach Feierabend, Arbeit am Wochenende. Das alles hat doch immer zugenommen“, sagte er vor rund hundert Mitarbeitern, die dem Aufruf zum Warnstreik gefolgt waren.
Dem Fachkräftemangel in der Region könnten die Arbeitgeber Abhilfe schaffen, indem sie eine Rückkehr von der Teilzeit in die Vollzeit anbieten würden und gut ausgebildete Mitarbeiter passgenau einsetzen würden. So würden 25 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer unterhalb ihrer eigentlichen Qualifikation tätig sein.
Die Arbeitgeber kritisierten dagegen die Warnstreiks als „Eskalation zur Unzeit“scharf. „In Tarifkonflikten gilt für Streiks und auch für Warnstreiks das Ultima-Ratio-Prinzip: Sie dürfen nur zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Verständigungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind“, schreibt der Vorsitzende der Bezirksgruppe Schwarzwald-Hegau von Südwestmetall und Vorstandsvorsitzende von Aesculap, Joachim Schulz, in einer Pressemitteilung: „Davon sind wir aber noch meilenweit entfernt.“
Desma-Geschäftsführer Martin Schürmann schreibt auf Nachfrage unserer Zeitung: „Der Forderung nach einer Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit bei Teilentgeltausgleich in Härte- und Sonderfällen werden wir bei der Desma und in mir bekannten Unternehmen bereits seit vielen Jahren durch ein sehr flexibles Gleitzeitmodell kombiniert mit einem großzügigen Arbeitszeitkonto gerecht. Dieses Modell lässt beispielsweise die ad hoc Betreuung von pflegebedürftigen Familienmitgliedern oder Kleinkindern sowie sonst auftretenden und nicht abwendbaren Zeitbedürfnissen des Mitarbeiters zu.“
In den vergangenen fünf Jahren seien die Löhne bereits um 20 Prozent gestiegen. Die Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn sei „wenig realistisch und schadet einmal mehr der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen insbesondere im internationalen Vergleich.“Die in der Vergangenheit vereinbarten Tariferhöhungen würden bei einer abkühlenden Konjunktur „als teure Hypothek bedient werden müssen“. Daher fordert Schürmann ein verantwortungsvolles Vorgehen in der jetzigen Tarifrunde.