„Einen Titel zu verteidigen, ist immer schwieriger“
Heimische Handballkenner trauen dem deutschen Team dennoch viel zu – Diskussion um Kader-Nominierung
- Am Freitag beginnt die Handball-Europameisterschaft. Die deutsche Nationalmannschaft reist als Titelverteidiger nach Kroatien. Ob das deutsche Team, dass vor zwei Jahren im EM-Finale in Polen den Endspielgegner Spanien mit 24:17 deklassierte, an den Erfolg anknüpfen kann? Das Team von Bundestrainer Chrstian Prokop, der Dagur Sigurdsson abgelöst hat, trifft in der Vorrunde auf Montenegro, Slowenien und Mazedonien. Wir haben uns bei heimischen Handballkennern umgehört, was sie von der EM erwarten und was sie der deutschen Mannschaft zutrauen.
„Es wird schwerer als vor zwei Jahren. Die Mannschaft hat einen Erfolgsdruck. Einen Titel zu verteidigen ist immer schwieriger“, sagt
aus Wurmlingen. Der frühere Nationalspieler, der in der Bundesliga von 1967 bis 1975 für Frisch Auf Göppingen aktiv war und in dieser Zeit zweimal Deutscher Meister wurde: „Wir werden gejagt werden. Ich hoffe, dass die deutsche Mannschaft sehr weit kommt, ich glaube aber nicht, dass sie den Titel gewinnt.“Obwohl der frühere Spitzenhandballer eine hohe Meinung von Christian Prokop hat („Ich empfinde ihn als einen guten, jungen und dynamischen Trainer“) betrachtet er die Kader-Nominierung kritisch: „Mit dem Verzicht auf Finn Lemke hat er sich keine glückliche Situation geschaffen. Lemke war der überragende Mann in der Abwehr, der alles organisiert und die Mitspieler motiviert
Epple Paul
hat. Gerade gegen die Vorrrunden-Gegner aus dem Osten, die aggressiv spielen, wäre starke körperliche Präsenz wichtig. Aus der Ferne kann ich diese Entscheidung nicht verstehen. Man muss auch mal seine Spielphilosophie überdenken und an die Gegebenheiten vor Ort anpassen.“Der Rentner hat sich vorgenommen, alle Spiele der deutschen Mannschaft am Fernseher zu verfolgen.
„Ich traue der deutschen Mannschaft das Maximale, die Titelverteidigung zu“, sagt Trainer der HSG Baar. „Da innerhalb des Turniers sechs Spieler nachnominiert
Martin Irion,
werden können, ist das ein Vorteil für uns. Denn wir haben neben Frankreich die größte Breite an guten Spielern. Vor zwei Jahren haben uns einige wichtige Spieler gefehlt. Jetzt haben wir mehr Qualität im Kader. Allerdings sind Teamspirit und Wille wichtig, denn diese Tugenden braucht man, um zu gewinnen.“ Aus dem Verzicht von Lemke leitet Irion ab: „Für Außenstehende ist diese Entscheidung überraschend. Denn Lemke ist die tragende Figur in der Deckung, allein schon durch seine körperliche Präsenz von mehr als zwei Metern Größe. Das spricht dafür, dass der Bundestrainer die 6:0-Deckung offensiver spielen lassen will.“Neben den Deutschen traut Irion auch Kroatien viel zu: „Beim Handball ist der Heimvorteil sehr wichtig. Kroatien hat schon immer eine gute Handballmannschaft gehabt. Aber auch mit Dänemark und Frankreich muss man rechnen.“
Deniz Parlak,
Co-Trainer der HSG Fridingen/Mühlheim: „Ich hoffe, dass es für unsere Mannschaft sehr weit geht. Wir sind der Titelverteidiger. Allerdings wird es die deutsche Mannschaft deutlich schwerer haben, weil sie diesmal als Favorit in die Spiele geht. Vor zwei Jahren konnten wir noch unbeschwert aufspielen.“Zum vom Bundestrainer zusammengestellten Aufgebot sagt Parlak: „Durch die Nichtnominierung einiger etablierter Spieler, unter anderem Abwehrspieler Finn Lemke, hat sich der Trainer selbst Druck aufgelastet. Aber jeder Trainer hat seine eigene Spielweise und sucht sich dementsprechend die Spieler aus. Christian Prokop ist ein guter Trainer, der weiß was er tut.“
Trainer des Landesligisten HSG Rietheim-Weilheim, zollt dem Bundestrainer für seine Nominierung Respekt: „Der Trainer hat mit drei, vier personellen Entscheidungen ein Zeichen gesetzt und für Überraschungen gesorgt. Das spricht für die Qualität im Kader, in der Breite sind wir gut aufgestellt.“Salmen traut der deutschen Mannschaft viel zu: „Unter Druck zu spielen, im Gegensatz zur Europameisterschaft von vor zwei Jahren, ist schwer. Aber wir sollten stark genug sein, um damit umgehen zu können.“
Dirk Salmen,