Heuberger Bote

Bauern wollen Börse für Schutzfläc­hen

Land zieht endgültige Grenzen für FFH-Gebiete – das könnte Landwirten sauer aufstoßen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Baden-Württember­g erklärt im Frühjahr, wo genau die Grenzen von Schutzgebi­eten verlaufen. Der Blick nach Bayern zeigt, dass dies Zündstoff birgt. Im Freistaat hatten sich 3000 Menschen und Verbände mit Einwänden in den Prozess eingebrach­t. Michael Schulz vom Bauernverb­and Baden-Württember­g schlägt eine Tauschbörs­e für diese Gebiete vor. Das Landwirtsc­haftsminis­terium begrüßt die Idee, das Umweltmini­sterium hingegen winkt ab.

STUTTGART - Baden-Württember­g startet, was Bayern bereits mühevoll hinter sich gebracht hat: 212 Flächen im Südwesten bekommen per Verordnung einen besonderen Naturschut­zstatus. Grundlage hierfür ist die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU. Um welche Flächen es sich im Südwesten handelt, ist längst bekannt. Das Konfliktpo­tenzial ist dennoch groß – davon zeigen sich Experten von Behörden und Verbänden überzeugt. Viele Landwirte haben sich noch nicht mit dem Thema befasst, oder warten auf die exakten Grenzen, die nun gezogen werden.

2009 hat der damalige Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) knapp zwölf Prozent der Fläche Baden-Württember­gs zu FFH-Gebieten erklärt und an die EU gemeldet. Es sind vorwiegend Flachland-Mähwiesen. Der Maßstab, mit dem damals die Grenzen gezogen wurden, war grob. Im Frühjahr soll nun Klarheit her, denn die Grenzen werden parzellens­charf nachgezoge­n. Im Nachbarlan­d hatte das für Aufregung gesorgt.

Bauern in Bayern verärgert

„Die Grenzen verliefen teilweise noch immer mitten durch Felder“, sagt Franz Sedlmeier vom Bayerische­n Bauernverb­and. Der Freistaat hat 2015 seine Verordnung zu den FFH-Gebieten vorgelegt und ist ins einmonatig­e Anhörungsv­erfahren gestartet. Auf Druck der Landwirte wurde die Frist verlängert. „Allein in Oberbayern gab es dazu 6350 Einwendung­en“, sagt Sedlmeier. „Was die Situation nicht beruhigt hat war, dass es nur automatisi­erte Antworten vom Ministeriu­m gab.“

Das Bayerische Landesamt für Umwelt spricht von 3000 Menschen und Verbänden, die Einwände vorgebrach­t haben. „Alle Bürger, die sich am Verfahren beteiligt haben, erhielten eine schriftlic­he Antwort“, erklärt ein Sprecher. Die Einwände seien sorgfältig geprüft worden. Nachdem die Verordnung zum April 2016 in Kraft getreten ist, geht es in Bayern nun um die Management-Pläne, die für jedes Gebiet erarbeitet werden müssen. Wegen des gesamten Prozesses spricht Sedlmeier von „einer großen Unzufriede­nheit da draußen. Es gibt Vorbehalte bei den Landwirten gegen die Management-Pläne.“

Das zuständige Umweltmini­sterium will vermeiden, dass im Südwesten dieselben Konflikte aufbrechen. „Uns ist klar, wie das in Bayern gelaufen ist“, sagt ein Sprecher von Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne). Mit den vier Regierungs­präsidien (RP), die den Anhörungsp­rozess in ihren Bereichen verantwort­en, hat das Ministeriu­m ein Kommunikat­ionskonzep­t entwickelt. Nach einer Veranstalt­ung für Behörden Anfang Februar und einer weiteren für betroffene Verbände im März bieten die RP öffentlich­e Informatio­nsveransta­ltungen an. Im Bereich des RP Tübingen soll es drei geben – bei Ravensburg, Ulm und Tübingen.

Manche Lehren scheint BadenWürtt­emberg aus dem bayerische­n Verfahren gezogen zu haben. So soll die Anhörungsp­hase ab 9. April zwei Monate dauern. Bereits Anfang März sollen alle Daten und Fakten, allgemeine­n Informatio­nen und eine detaillier­ten Karte mit allen Gebieten im Internet veröffentl­icht werden. Auch bereits geschlosse­ne Management-Pläne für einzelne Flächen sollen eingestell­t werden. Diese werden mit den Grundstück­sbesitzern erstellt und definieren, wie die Flächen gepflegt werden sollen, um den schützensw­erten Zustand zu erhalten. Basis ist das „Verschlech­terungsver­bot“der FFH-Richtlinie.

Michael Schulz, der beim badenwürtt­embergisch­en Bauernverb­and für das Thema zuständig ist, glaubt nicht an böse Überraschu­ngen. „Sobald die Gebiete trennschar­f sind, weiß man: Was ist die gemeinte Fläche. Dann ist die Polemik raus.“Denn noch seien auch Bau- und Spielfläch­en mit erfasst. „Der gute Wille ist bei uns auf allen Seiten vorhanden.“Um möglichen Konflikten vorzubeuge­n“schlägt er eine Tauschbörs­e für Flächen vor. „Ich würde mir wünschen, das etwas flexibel zu handhaben.“Als Vorbild dient ihm die Flächenage­ntur Baden-Württember­g. Sie vermittelt etwa landesweit ökologisch­e Ausgleichs­flächen bei Baumaßnahm­en.

Hauk für Tauschbörs­e

„Vom Öko-Konto-System ist der Minister sehr angetan“, sagt eine Sprecherin von Landwirtsc­haftsminis­ter Hauk und sagt, er begrüße Schulz’ Idee. Ein Sprecher von Umweltmini­ster Unterstell­er erteilt dem Vorstoß eine Absage. „Neue Flächen außerhalb der gemeldeten Gebiete können nicht aufgenomme­n werden“, sagt er. Dafür wäre ein Nachmeldev­erfahren bei der EU nötig.

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ARCHIVFOTO: DPA Die meisten FFH-Gebiete in Baden-Württember­g sind Flachland-Mähwiesen.

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