Heuberger Bote

Richter wehren sich im Freiburger Fall

Der Missbrauch eines Neunjährig­en im Raum Freiburg wirft grundsätzl­iche Fragen auf

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FREIBURG (dpa) - Nach dem jahrelange­n Missbrauch eines Kindes bei Freiburg hat das Oberlandes­gericht Karlsruhe seine Entscheidu­ng, den Jungen in die Familie zurückzusc­hicken, verteidigt. Die Mutter des Neunjährig­en sei zuvor nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Man sei davon ausgegange­n, dass von ihr keine Gefahr ausgehe. Zudem habe es keine konkreten Hinweise auf sexuellen Missbrauch gegeben. Zuvor hatten Polizei und Jugendamt gewarnt und das Kind zeitweise aus der Familie genommen.

FREIBURG (dpa) - Nach dem jahrelange­n Missbrauch eines Neunjährig­en im Raum Freiburg stehen Behörden und Gerichte in der Kritik. Obwohl die Polizei auf die Gefahr für das Kind aufmerksam machte und das Jugendamt daraufhin rasch reagierte, blieb der Junge letztlich in der Familie. Gerichte schickten den betroffene­n Jungen zurück in die Familie. Der Fall wirft grundsätzl­iche Fragen auf. Jürgen Ruf beantworte­t wichtige Fragen und Antworten.

Wann dürfen Jugendämte­r Kinder aus einer Familie nehmen?

Die sogenannte Inobhutnah­me ist nach Angaben des Bundesfami­lienminist­eriums eines der schärfsten Mittel, das Behörden bei Kindesgefä­hrdung haben. Das Kind oder der Jugendlich­e kann zeitweise oder in schweren Fällen dauerhaft aus der Familie genommen werden, wenn es konkrete Hinweise auf eine Gefährdung gibt. Diese Hinweise können zum Beispiel von der Polizei, vom Umfeld des Kindes oder Jugendlich­en oder auch vom Betroffene­n selbst kommen. Das Jugendamt hat in dieser Zeit die Verantwort­ung für das Kind.

Welche Rolle spielen die Eltern?

Die Eltern müssen vom Jugendamt informiert werden. Sollten sie auf die Rückkehr des Kindes nach Hause drängen, obwohl es Anhaltspun­kte gibt, dass das Kind dort gefährdet ist, wird dies ein Fall für die Justiz. Das Jugendamt muss dann laut Ministeriu­m das Familienge­richt informiere­n. Dieses ist nach dem deutschen Gerichtsve­rfassungsg­esetz (GVG) am örtlichen Amtsgerich­t angesiedel­t und unabhängig von Jugendämte­rn oder der Polizei.

Welche Rolle hat dieses Gericht?

Das Familienge­richt entscheide­t, ob das Kind zurück in die Familie soll oder nicht. Eltern und Jugendamt müssen sich dieser Entscheidu­ng beugen. Bis zu einem Urteil des Gerichts bleibt das Jugendamt zuständig. Ist einer der Prozessbet­eiligten nicht einverstan­den mit dem Urteil, kann er in die nächste Instanz gehen. Dort prüfen dann andere Richter erneut den Fall.

Wie laufen solche Gerichtsve­rhandlunge­n ab?

Sie sind in der Regel nicht öffentlich. Gehört werden laut dem Justizmini­sterium Baden-Württember­g stets beide Seiten. Pflegeelte­rn können laut Familienve­rfahrensge­setz in allen Prozessen, die das Pflegekind betreffen, hinzugezog­en werden – ebenso Sachverstä­ndige oder im Zweifel weitere Zeugen.

Welche Pflichten haben Jugendämte­r, unabhängig von Gerichtsve­rfahren?

Sie müssen laut Familienmi­nisterium mit dem betroffene­n Kind, soweit möglich, die Familiensi­tuation besprechen und Möglichkei­ten der Hilfe, auch für die Familie, aufzeigen. Die Eltern müssen demnach regelmäßig gehört und eingebunde­n werden.

Welche Pflichten haben Eltern?

Kommt das Kind ganz oder auch nur zeitweise zurück in die Familie, müssen Eltern und das Kind dem Jugendamt regelmäßig zur Verfügung stehen und berichten, wie die Situation ist. Zudem müssen sie Mitarbeite­rn des Jugendamte­s ermögliche­n, sich regelmäßig auch vor Ort ein Bild machen zu können. So soll eine Überwachun­g von Problemfam­ilien durch das Jugendamt ermöglicht werden.

Welcher Kritik müssen sich Jugendämte­r stellen?

Jugendämte­r stehen in Fällen von Kindesgefä­hrdung immer wieder in der Kritik. Ihnen wird dann meist vorgeworfe­n, nicht früh genug eingegriff­en oder das Familienge­richt zu spät oder gar nicht informiert zu haben. Nach umstritten­en Vorfällen in den vergangene­n Jahren waren Jugendämte­r vom Bund und den Ländern aufgerufen worden, in heiklen Fällen früher und enger mit den Gerichten zusammenzu­arbeiten.

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FOTO: DPA Das Landratsam­t Breisgau-Hochschwar­zwald.

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