Von Kitagebühren bis zur Grundrente
Was die Sondierungsvereinbarung zu Rente, Steuern und Sozialem enthält
BERLIN - An Lebhaftigkeit fehlt es der SPD in dieser Woche nicht. Hin und her wird in den Ortsvereinen und in Berlin diskutiert, ob das Ergebnis der Sondierungsverhandlungen zufriedenstellend ist – oder nicht. Jusos und SPD-Linke tendieren zu einem Nein, doch es gibt auch in diesem Lager starke Stimmen für die Aufnahme von Gesprächen zu einer Großen Koalition.
„Recht respektabel“nennt zum Beispiel der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Rudolf Bindig, der dem linken Lager zugerechnet wird, die Vereinbarungen der Sondierung. Er habe sich das Ergebnis unter dem Aspekt angesehen, ob es der breiten Bevölkerung helfe, sagt er.
Für überzeugend hält Bindig insbesondere die Steuerpolitik, die Rentenpolitik, und die Hilfen für Kinder. Der erfahrene SPD-Abgeordnete rät seiner Partei, auch in einer Koalition könne die SPD klarmachen, was sie noch mehr hätte durchsetzen wollen, und ihr eigenes Profil schärfen. Die Alternative aber, in der Opposition „vier Jahre jammern, was nicht erreicht wurde“, sei weit schlimmer.
Hier eine Übersicht der steuer- , renten- und familienpolitischen Punkte des Sondierungsvertrags:
Rente: Das Rentenniveau soll bis 2025 auf dem heutigem Niveau von 48 Prozent gesetzlich abgesichert werden. Damit hat sich weitgehend die SPD mit ihren Forderungen durchgesetzt. Dem Rentenbericht der Bundesregierung zufolge wird allerdings das Rentenniveau ohnehin erst 2025 unter 48 Prozent sinken. Das gilt allerdings nur bei einer weiterhin guten wirtschaftlichen Entwicklung. 2030 könnte das Rentenniveau dann bei 45 Prozent liegen. Mit dieser Herausforderung soll sich dann eine Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“beschäftigen.Es soll doppelte Haltelinien für das Rentenniveau und die Beiträge geben.
Grundrente: Wer jahrzehntelang (35 Jahre) gearbeitet hat, soll ein Alterseinkommen zehn Prozent über dem regionalen Grundsicherungsbedarf erhalten, Bedürftigkeit vorausgesetzt.
Mütterrente: Die vor allem von der CSU, aber auch von SPD-Landeschefin Leni Breymaier geforderte endgültige Gleichstellung der Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, wird nicht ganz umgesetzt, aber ein weiterer Schritt wird gemacht: Mütter, die drei und mehr Kinder vor 1992 bekommen haben, sollen den dritten Punkt in der Mütterrente erhalten. Ein Punkt macht gut 30 Euro mehr Rente aus. Kritik kommt vom FDP-Rentenexperten Johannes Vogel. Er meint, allein die Mehrausgaben durch den Eingriff in die Rentenformel zulasten der jüngeren Generation und die Mütterrente II würden sich auf Mehrausgaben von über 60 Milliarden Euro bis 2020 addieren. Selbstständige sollen in die Rentenversicherungspflicht einbezogen werden, sofern sie keine eigenen berufsständischen Versorgungswerke haben.
Soli-Abbau: Vereinbart ist, dass der Solizuschlag für untere und mittlere Einkommen abgebaut wird und 90 Prozent der Steuerzahler vollständig vom Soli entlastet werden. Der Soli beträgt 5,5 Prozent der Einkommenssteuer. Ein Durchschnittsverdiener mit 3100 Euro brutto zahlt derzeit 26 Euro im Monat Soli. Kritik daran kommt vom Wirtschaftsrat der CDU: „Wie kann man hier von einer Entlastung sprechen, wenn die zehn Prozent, die den Soli weiterhin zahlen müssen, diejenigen sind, die mit 60 Prozent des Aufkommens bereits seit 28 Jahren die Hauptlast des
Solidaritätszuschlags schultern?“, fragt Wirtschaftsrat-Generalsekretär Wolfgang Steiger.
Forschungsförderung: Für forschende kleine und mittelgroße Unternehmen soll eine steuerliche Förderung eingeführt werden. Investitionen in die Digitalisierung sollen durch steuerliche Anreize unterstützt werden. Geringverdiener sollen bei den Sozialbeiträgen (Ausweitung der Midi-Jobs zwischen 450,01 und 850 Euro im Monat) entlastet werden.
Familien, Kinder, Soziales:
Das Kindergeld soll in zwei Teilschritten erhöht werden. Zum 1. Juli 2019 um zehn Euro und zum 1. Januar 2021 um weitere 15 Euro.
Kitas: Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter soll eingeführt werden. 3,5 Milliarden Euro sollen für bessere Kitas mit geringeren Gebühren fließen. Sozialer Arbeitsmarkt: Unter dem Titel „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“sollen 150 000 Menschen gefördert werden. Kosten: Zwölf Milliarden Euro
sind insgesamt für den Familienbereich vorgesehen. (3,5 Milliarden für Erhöhung Kindergeld, 3,5 Milliarden für Kitas, 1,0 Milliarden für Kinderzuschlag bei Kinderarmut und vier Milliarden für den sozialen Arbeitsmarkt). Zehn Milliarden Euro sind für die Entlastung der Bürger beim Soli-Zuschlag eingeplant. Weitere zwölf Milliarden Euro
für gleichwertige Lebensverhältnisse, Landwirtschaft, Verkehr und Kommunen, davon acht Milliarden für kommunale Programme.