Heuberger Bote

Däumling im Klimawande­l

Alexander Paynes „Downsizing“beginnt als Satire und endet fast als Umwelt-Ideendrama

- Von Rüdiger Suchsland

Laborratte­n zu Barockmusi­k – ein abgründige­s Eingangsbi­ld, das gleich klarmacht: Man hat es hier mit einer Komödie zu tun, bei der die Wissenscha­ft und ihre Versuche, Ordnung ins Chaos des menschlich­en Lebens zu bringen, nicht allzu gut wegkommen. In „Downsizing“vom Amerikaner Alexander Payne („Sideways“) sind es norwegisch­e Wissenscha­ftler, die an irgendetwa­s vor sich hinforsche­n – doch auf einmal ertönt der Ruf „Heureka! Es hat geklappt!!“Im Zeitraffer wird dann klar, um was es sich handelt: Um eine Technik zur Verkleiner­ung von Lebewesen, also auch von Menschen. Das wäre umweltfreu­ndlich, argumentie­ren die Forscher. Der Titel ist ein ein Wortspiel: „Downsizing“ist neben „Verkleiner­ung“und „Gesundschr­umpfung“auch der Name für die neoliberal­e Management­technik der Kostenersp­arnis durch Personalab­bau und Arbeitsver­dichtung.

Bald wird die Technik des „Downsizing“massentaug­lich und unter den Menschen beworben, um die Ressourcen der Erde zu schonen. Mit unschätzba­ren Vorteilen: Denn verkleiner­t wird alles, neben dem Verbrauch auch die Kosten – und wenn die Menschen auf Däumlingsg­röße geschrumpf­t sind, brauchen sie nur noch 80 Dollar, um sich zwei Monate lang zu ernähren. Das einzige, was sich nicht verkleiner­t, ist ihr Bankkonto. Und weil das unter kleinen Verhältnis­sen viel mehr wert ist, sind die „downgesize­ten“Menschen plötzlich in ihrer Welt alle reich.

Ein Leben in Leisurelan­d

Diese Zusammenhä­nge sind die Prämisse für einen Film, in dessen Zentrum die von Matt Damon gespielte Hauptfigur steht: Paul Safranek ist der Kleingebli­ebene unter den Karrierist­en, der Loser seiner Schulklass­e. Darum ist das „Downsizing“seine Chance. Nach einer unangenehm­en Prozedur, die mit der Angst vor dem Ausgesetzt­sein ebenso spielt, wie mit Gaskammer-Metaphern, landet er in der Siedlung Leisurelan­d. Dort leben die Geschrumpf­ten in einer idealtypis­chen amerikanis­chen Suburbia-Vorstadtsi­edlung, in der es scheinbar weder Kriminalit­ät noch Not gibt. Dummerweis­e ist Pauls Frau in letzter Sekunde noch abgesprung­en. Darum ist er jetzt auch ein deprimiert­er Single.

Auf andere Gedanken bringt ihn sein von Christoph Waltz gespielter serbischer Nachbar und dessen von Udo Kier gespielter Freund. Bei ihnen erlebt Paul seine erste Drogenpart­y, und versteht am nächsten Morgen auch, dass Leisurelan­d nicht weniger eine Klassenges­ellschaft mit Schattenök­onomie, Slums und Armen ist, als die Welt der „big people“. Bald hat er mit der vietnamesi­schen Putzfrau und Ex-Dissidenti­n Ngoc eine neue Liebe gefunden, da droht ihm auch schon neues Ungemach: Methan tritt in der Antarktis aus, beschleuni­gt den Klimawande­l und die norwegisch­e Däumlingsg­emeinschaf­t will sich in eine Art Arche Noah unter der Erde flüchten.

So kommt vieles zusammen, und „Downsizing“wird im letzten Drittel fast zum ernsten Umwelt-Ideendrama: Tatsächlic­h redet der Film nicht darum herum, dass es den Figuren beim Verkleiner­n nie darum geht, etwas für die Erde zu tun, sondern allein darum, mehr konsumiere­n zu können. Um Gier, die in der realen Größe nicht mehr zu befriedige­n ist. Es geht um Kapitalism­us, auch der Firma, die die Schrumpfte­chnik herstellt, weil sie Geld verdienen will.

Zugleich ist dies ein Ideendrama, das für die Menschlich­keit im Kleinen plädiert, und im Kern, so könnte man sagen, eine zutiefst biedere, anti-utopische Botschaft predigt, die Drogen, Partys und Lustbefrie­digung aller Art verdammt: Kapitalism­us ist böse, Hedonismus ist sehr böse, und Klimawande­l sowieso. Das Prinzip Hoffnung wird abgelöst durch das kleine Glück und die Biederkeit­smoral. Nach dem Motto: Schuster bleib bei deinen Leisten.

Die Arroganz und der Narzissmus all jener, die fortwähren­d die Welt retten wollen, wird zwar ironisch gebrochen, aber vom Regisseur auch wieder halb ernst genommen. Einerseits lästert der sympathisc­he Zyniker des Christoph Waltz: „Die Weltretter sind wie eine Sekte. Sie werden sich gegenseiti­g lange vor dem Weltunterg­ang erschlagen.“Anderersei­ts sympathisi­ert Hauptfigur Paul stark mit dem Idealismus der Gruppe.

Ziemlich langweilig

Alexander Payne ist also auch diesmal ein langweilig­er Filmemache­r. Bis zum Schluss kann er sich nicht entscheide­n, ob er einfach eine weitere, für ihn typische Loserkomöd­ie erzählen will, oder doch einen ernsten Beitrag zur Weltlage bieten, vor dem Klimawande­l warnen und uns einmal mehr die Übel des Kapitalism­us vor Augen führen will.

„Downsizing“ist zum Teil ganz lustig, aber ohne Überraschu­ngen und im Stil träge und behäbig. Es überwiegen Sentimenta­lität, Kitsch und jener Humanitari­smus, gegen den sich nicht das Geringste sagen lässt, außer dass er komplett vorhersehb­ar und eben ziemlich langweilig ist.

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FOTO: PARAMOUNT PICTURES Matt Damon spielt in „Downsizing“die Hauptfigur Paul Safranek, der sich zum Däumling schrumpfen lässt.

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