Umweltkatastrophe von historischem Ausmaß
Experten halten Beteuerungen der chinesischen Behörden nach dem Tankerunglück für Augenwischerei
PEKING (AFP) - Nach dem spektakulären Tankerunglück vor der Küste Chinas beteuern die Behörden der Volksrepublik, dass die Umweltauswirkungen durch das austretende Leichtöl begrenzt seien. Experten halten das für Augenwischerei. Sie befürchten eine Umweltkatastrophe von historischem Ausmaß. Schließlich trete nach der Explosion und dem Untergang des iranischen Öltankers „Sanchi“auch Ölkondensat aus. Dies sei zwar auf den ersten Blick nicht zu sehen, für die Meeresbewohner aber besonders giftig.
Die „Sanchi“war am 6. Januar mit 136 000 Tonnen Leichtöl an Bord auf hoher See mit einem chinesischen Frachter zusammengestoßen und sofort in Brand geraten, alle 32 Besatzungsmitglieder kamen dabei vermutlich ums Leben. Nach mehreren Explosionen war die „Sanchi“am Sonntag gesunken. Chinesischen Medienberichten zufolge könnte ihr eigener Tank bis zu 1000 Tonnen Treibstoff enthalten haben.
Seines Wissens sei noch nie so viel Ölkondensat auf einen Schlag in die Umwelt gelangt, sagte der USBerater für Öl-Katastrophen, Richard Steiner. Angesichts des nach tagelangem Feuer und mehreren Explosionen schlechten Zustands der „Sanchi“geht Steiner davon aus, „dass keiner der Frachträume und Treibstofftanks intakt ist und daher das komplette Kondensat und der Treibstoff ausgelaufen sind“. Selbst wenn nur 20 Prozent der Ladung ins Meer gelangt seien, entspräche dies in etwa der Menge an Rohöl, die bei der Havarie des Öltankers „Exxon Valdez“1989 vor Alaska ausgelaufen sei, verdeutlichte Steiner das Ausmaß der Umweltkatastrophe.
Die staatliche chinesische Meeresbehörde erklärte dagegen am Wochenende, es seien keine größeren Umweltschäden zu erwarten. Für den Menschen seien ohnehin nur minimale Auswirkungen zu befürchten, da der Tanker so weit von der Küste entfernt sei. Nach Angaben der staatlichen chinesischen Zeitung „People’s Daily“ist der Ölteppich 18,5 Kilometer lang und bis zu siebeneinhalb Kilometer breit.
„Besonders giftig“
Dass das iranische Schiff sank, bevor die Ölladung komplett verbrannt war, ist für den Leiter des Pekinger Instituts für Öffentliche und Umweltangelegenheiten, Ma Jun, das Schlimmste, was nach der Havarie passieren konnte. „Das Ölkondensat ist für alle Meereslebewesen besonders giftig“, sagte Ma der Zeitung „Global Times“.
Selbst wenn die „giftige Phase“des Tankerunglücks nach wenigen Monaten beendet sei, könnten die Auswirkungen auf die Umwelt „viel länger“dauern, warnte Steiner. Da aber niemand die Umweltauswirkungen wissenschaftlich untersuche, „werden die Regierungen und Schiffseigner wahrscheinlich zu Unrecht behaupten, dass der Schaden nur begrenzt ist“. „Vor unseren Augen entfaltet sich eine Umweltkatastrophe“, warnte am Montag auch der Meeresschutzexperte von WWF Deutschland, Stephan Lutter. Nun beginne „ein Wettlauf mit der Zeit“.