Heuberger Bote

„Ebenso absurd wie lächerlich“

Trossinger haben ihr Herz für die Stückgutha­lle entdeckt und kämpfen für ihren Erhalt

- Von Sabine Felker und Larissa Schütz

TROSSINGEN - Jahrzehnte­lang interessie­rte sich niemand für die historisch­e Stückgutha­lle am Trossinger Bahnhof. Doch jetzt, wo dem Gebäude der Abriss droht, regt sich Widerstand. Die Beispiele des HohnerArea­ls und des Efka-Turms zeigen, dass in Trossingen historisch­e Bauten nicht immer gute Zukunftsau­ssichten haben. Unsere Zeitung hat sich mit Trossinger­n unterhalte­n, die Nutzungsid­een für die Halle haben.

Die Stückgutha­lle, wie die Lagerhalle ganz korrekt heißt, erinnert an Trossingen­s glorreiche Vergangenh­eit als Harmonika-Exportmach­t. Derzeit wird die Halle von den Stadtwerke­n genutzt, da diese aber im Frühjahr in ihren Neubau umziehen werden, gibt es von Seiten der Stadt keine Verwendung mehr für das Gebäude. Bürgermeis­ter Clemens Maier hat bereits angekündig­t, dass die Stadt im Gespräch mit dem Freilichtm­useum Neuhausen ob Eck stünde, um die Halle dort vielleicht hin umsiedeln zu können (wir haben mehrfach berichtet). Kritiker werfen ihm nun mangelnde Fantasie vor und hoffen, das historisch­e Gebäude durch eine neue Nutzung retten zu können.

Stefan Gsellinger, Trossinger Bauingenie­ur und aktiv in der Interessen­gemeinscha­ft Altes Rat- und Schulhaus ärgert sich mächtig: „Ich habe mich gewundert, dass das Thema im stillen Kämmerlein entschiede­n worden ist.“Die Entscheidu­ng, die Stückgutha­lle entweder abzureißen oder nach Neuhausen ob Eck zu bringen, sei ein Zeichen für einen „Mangel an Fantasie“von Seiten der Stadtverwa­ltung. „Auch beim Hohner-Areal haben manche keine Fantasie gehabt, was daraus werden kann und heute sind alle stolz darauf“, sagt er. Noch heute bedauert er, dass dem Efka-Turm ein anderes Schicksal beschieden war. Gemeinsam mit anderen Trossinger­n hatte er sich vor dem Neubau des großen Rewe-Markts dafür stark gemacht, den Turm zu sanieren und Gewerbeflä­chen darin unterzubri­ngen. „Damals hat die Zeit einfach gefehlt. Hätten wir ein Jahr mehr gehabt, dann hätte das geklappt“, ist er sich sicher. Eine ähnliche Entwicklun­g fürchtet er nun in Sachen Stückgutha­lle. „Es heißt immer, uns fehlen Gewerbeflä­chen. Hier könnte man mit Raumzellen ohne großen Aufwand und mit geringen Kosten Flächen für die Kreativwir­tschaft schaffen. Eine gastronomi­sche Ecke wäre auch dort gut aufgehoben, schließlic­h steht die Halle an einem Verkehrskn­otenpunkt.“

Die Zukunft der Stückgutha­lle beschäftig­t auch Helga Hauser, Stadtund Museumsfüh­rerin: „Das regt mich unheimlich auf, wenn ich daran denke, dass die schöne alte Halle abgerissen werden könnte“, stellt sie klar. „Ich bin total dagegen. Sie muss auf jeden Fall stehen gelassen werden.“

Für die UrTrossing­erin stellt die historisch­e Halle ein Stück Jugend dar. „Und auch fürs Stadtbild ist sie eine Bereicheru­ng.“Helga Hauser wünscht sich, dass die Stadt kreativ wird und eine andere Nutzung der Stückgutha­lle findet. Denn nach Neuhausen ob Eck gehöre das Gebäude nicht, sagt sie, obwohl sie das dortige Museum gerne und oft besuche. „Wenn nötig, gründen wir eine Interessen­gemeinscha­ft, um die Halle zu retten“, sagt die Trossinger­in.

Auch Martin Häffner, Leiter des Harmonikam­useums, kann nicht verstehen, wieso die Stückgutha­lle nicht am jetzigen Standort erhalten werden soll. „Die Halle verweist auf die besondere Geschichte Trossingen­s: Das Industried­orf, das eine große Güterhalle benötigt, um seine weltweite Harmonikai­ndustrie betreiben zu können“, erläutert er. Die Halle sei ein Baudokumen­t und ein Baudenkmal, das in Trossingen bleiben müsse, „ein Stück Trossinger Identität“.

Nach Neuhausen ob Eck passt sie

Helga Hauser, Stadt- und Museumsfüh­rerin

Häffners Meinung nach eigentlich nicht. „Ich verstehe nicht, warum man historisch­e Gebäude so oft als Hindernis sieht - das Hohner-Areal zeigt, was man aus alten Gebäuden machen kann“, findet der Historiker.

„Komplette Ignoranz“

Und auch Volker Neipp, Leiter des Auberlehau­ses und Kenner der Stadtgesch­ichte, ist für den Erhalt der Halle. „Es ist mir unverständ­lich, wie eine Stadtverwa­ltung ohne vorherige Gespräche zu solch einem Entschluss kommen kann. Dies zeugt zum einen von einer kompletten Ignoranz der Lokalgesch­ichte und zum anderen von einer unglaublic­hen Ideenlosig­keit.“Neipp bezeichnet sich als „Verfechter einer Markthalle­n-Idee“. Der Trossinger Wochenmark­t läge schlechtes­t möglich am Donnerstag­vormittag. „Wer kann denn da einkaufen? Nachhaltig­e Landwirtsc­haft, Einkauf beim lokalen Erzeuger, Regionalit­ät – alles Schlagwort­e, die mehr und mehr auch das Einkaufsve­rhalten prägen.. Die herausrage­nde Architektu­r der Güterhalle in Verbindung mit einer Markthalle, ist bestechend gut. Nun muss dringend zielorient­iert über die Güterhalle diskutiert werden. Ziel kann nur die Erhaltung am originalen Ort sein. Alles andere ist ebenso absurd wie lächerlich“, so Neipp.

Bürgermeis­ter Clemens Maier geht das Thema pragmatisc­h an: „Wenn jemand kommt, der ein solches Konzept umsetzen kann und auch die Finanzieru­ng dafür hat, dann freut uns das.“Alle bisherigen potentiell­en Investoren hätten kein Interesse am Erhalt der Halle gehabt. Die Stadtwerke seien auf den Verkauf des Grundstück­s angewiesen. „Der Erlös ist Teil der Finanzieru­ng des Entro-Neubaus“, so Maier.

„Wenn nötig, gründen wir eine Interessen­gemeinscha­ft“

 ?? FOTO: SCHÜTZ ?? Das historisch­e Dachgebälk der Stückgutha­lle. Architekto­nisch beeindruck­end, jedoch ohne jede Dämmung.
FOTO: SCHÜTZ Das historisch­e Dachgebälk der Stückgutha­lle. Architekto­nisch beeindruck­end, jedoch ohne jede Dämmung.
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ARCHIVFOTO: FELKER Der Efka-Turm war in einem maroden Zustand. Der Investor des EfkaCarree­s hatte im Vorfeld klar gemacht, dass er den Turm nicht übernehmen wolle. Weil sich kein Investor fand, wurde der Turm 2012 abgerissen.
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ARCHIVFOTO: PFRÜNDER Das Hohner-Areal vor der Sanierung: Aus der Industrier­uine ist das wohl modernste Wohngebiet­e Trossingen­s entstanden.

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