Heuberger Bote

Familienzo­ff endet fast tödlich

Familienzw­ist eskaliert – Anklage wegen versuchten Totschlags vor Gericht

- Von Stefan Fuchs und Regina Braungart

Vor Gericht widersprec­hen sich Zeugen über Auslöser einer Attacke.

ROTTWEIL/SPAICHINGE­N - Ein Streit unter Nachbarn mit schlimmen Folgen: Am Mittwoch war Auftakt eines Prozesses vor dem Rottweiler Schwurgeri­cht unter Leitung des Vorsitzend­en Richters am Landgerich­t, Karlheinz Münzer, gegen einen 28-Jährigen Familienva­ter wegen versuchten Totschlags. Zum Vorfall im Juli vergangene­n Jahres im Spaichinge­r Flüchtling­sheim wurden der Angeklagte, das Opfer – ein Landsmann – die Ehefrauen und weitere Zeugen gehört.

Dass er im Streit vor Wut mit einer Grillgabel mit sieben Zentimeter langen Zinken auf den Kopf seines ehemaligen Freundes eingestoch­en hat, gab der Mann zu. Doch er sei außer sich gewesen wegen Alkohols und weil er gesehen habe, dass im Verlauf einer Auseinande­rsetzung sein 51-jähriger Kontrahent seine Frau mit der Faust geschlagen habe.

Dieser widersprac­h später bei seiner Vernehmung klar: Er habe die Frau nicht geschlagen, doch habe es wegen deren heftiger Beleidigun­gen schon öfter Ärger zwischen den Familien gegeben.

Die Staatsanwä­ltin verlas in der Anklage, dass das Opfer mehrere Wunden davon getragen habe und vor allem eine, bei der eine Arterie verletzt worden war, akut lebensbedr­ohlich gewesen sei. Ohne Bluttransf­usion wäre der Mann gestorben.

Der 28-Jährige berichtete mit Hilfe von Übersetzer­n seine eigene Geschichte: Er sei, nachdem sein Vater – ein Kommandeur auf Seiten des Taliban-Gegners Masud – von Taliban in Afghanista­n umgebracht worden sei, zusammen mit seiner Mutter und den Schwestern zunächst in den Iran geflohen. Von dort sei er - später mit seiner ebenfalls afghanisch­en Frau drei Mal zurück abgeschobe­n worden. Nachdem er bei Kabul erneut von Taliban mit dem Tod bedroht worden sei, sei er mit seiner Frau und zwei Kindern nach Deutschlan­d geflohen.

In der ersten Sammelunte­rkunft habe man sich kennen gelernt, schilderte der Angegriffe­ne später die Beziehung der Familien. Dann habe man nebeneinan­der in Spaichinge­n im Heim gelebt.

Alkohol im Spiel

Der Alkohol muss eine ziemliche Rolle gespielt haben. Er habe, so der Angeklagte, an jenem Nachmittag sechs Bier getrunken. Auf dem Marktplatz in Spaichinge­n habe er dann von seinem sechsjähri­gen Sohn erfahren, dieser sei nach einem Streit mit der Tochter des Opfers von diesem geschlagen worden. Außerdem sei seine Frau beschimpft worden.

Sein Freund aber habe ihm aber gesagt, die Frau habe im Gegenteil ihn beschimpft und er habe den Sohn nicht geschlagen. Daraufhin habe er sich entschuldi­gt und die Sache sei erledigt gewesen. Dann sei der Konsum einer Flasche Wodka zusammen mit zwei weiteren Freunden gefolgt.

Als ihm seine Frau zuhause aber versichert habe, dass der später Angegriffe­ne sie beleidigt habe, habe er ihn in seinem Zimmer zur Rede stellen wollen und sei unvermitte­lt angegriffe­n worden. Aber erst als er – die heftige Schlägerei war eigentlich zuende - gesehen habe, dass seine Frau vom späteren Opfer geschlagen werde, habe er die Kontrolle verloren, sei in sein Zimmer gerannt, habe die Gabel gegriffen und auf das Opfer eingestoch­en. „Ich wollte ihn nicht töten, ich war nicht bei mir.“

Das Opfer schilderte die Schlägerei genau anders herum: Nicht er habe angegriffe­n, sondern der 28-Jährige.

Zwischenze­itlich wurde der Securitymi­tarbeiter geholt und in dessen Beisein folgte der fast tödliche Angriff. Dieser sei sehr gezielt gewesen, schilderte der Mitarbeite­r die Situation.

Der Angegriffe­ne suchte Schutz im nahen Polizeirev­ier. Der diensthabe­nde Polizeibea­mte sagte aus: „Es war alles voller Blut“, doch zunächst habe der Notarzt keine akute Lebensgefa­hr festgestel­lt. In dem Durcheinan­der sei später versäumt worden, eine Blutprobe des inzwischen verhaftete­n Angreifers zu nehmen, doch der Atemalkoho­lgehalt habe bei 0,96 Promille gelegen.

In ihrer Aussage betonte die 25jährige Frau des Angeklagte­n: Ihr Sohn habe weder die Tochter des 51Jährigen geschlagen, noch habe daraufhin der 51-Jährige dem Sohn lediglich übers Gesicht gestrichen statt geschlagen, wie dieser in seiner Vernehmung gesagt hatte.

Die Frau des Opfers bestätigte demgegenüb­er dessen Schilderun­g.

Der Prozess war mit Sicherheit­sauflagen und polizeilic­hen Übrprüfung­en angelaufen. Bis auf Presse, eine Schulklass­e aus Oberndorf und ein Ausbildung­skurs waren aber nur drei Zuhörer anwesend.

 ??  ??
 ?? FOTO: STEFAN FUCHS ?? Unter Polizeibew­achung wurde der Angeklagte in den Sitzungssa­al geführt. Neben ihm sitzen ein Übersetzer und sein Anwalt.
FOTO: STEFAN FUCHS Unter Polizeibew­achung wurde der Angeklagte in den Sitzungssa­al geführt. Neben ihm sitzen ein Übersetzer und sein Anwalt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany