Heuberger Bote

„Machtwisse­n gibt es nicht“

Schulleite­r Hartwig Hils verlässt die Steinbeiss­chule

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(val) - Hartwig Hils verlässt zum Ende des Schuljahre­s 2017/18 die Ferdinand-von-Steinbeis-Schule in Tuttlingen, um die Leitung der Heimschule Kloster Wald im Landkreis Sigmaringe­n zu übernehmen. Unsere Mitarbeite­rin Valerie Gerards sprach mit dem Schulleite­r über die Erfolge, Misserfolg­e und die Gründe für seine Entscheidu­ng.

Herr Hils, Sie waren 28 Jahre lang, davon 19 Jahre in der Schulleitu­ng, an der Ferdinand-von-SteinbeisS­chule tätig und konnten in dieser Zeit einiges bewegen. Warum wollen Sie jetzt gehen?

Die Kombinatio­n von Abitur und Berufsausb­ildung fasziniert mich, und am Mädchengym­nasium Heimschule Kloster Wald gibt es ein Abitur mit paralleler berufliche­r Ausbildung. Als Gewerbesch­ulleiter weiß ich, dass eine Berufsausb­ildung sehr stark persönlich­keitsförde­rnd wirkt; entwicklun­gspsycholo­gisch kann sie fast so prägend sein wie die ersten Lebensjahr­e eines Menschen. Ich habe die letzte Chance, eine neue Herausford­erung anzunehmen und all das, was ich hier lernen durfte, nochmals angepasst auf die neuen Verhältnis­se anzuwenden.

Waren Sie gern Schulleite­r?

Ja! Die Gewerbesch­ulen sind die am besten ausgestatt­eten Schulen überhaupt, und unser Schulträge­r ist großartig. Das Landratsam­t ist nicht nur für die Finanzieru­ng zuständig, sondern unser Landrat und der Schuldezer­nent setzen sich auch mit unserem pädagogisc­hen Konzept auseinande­r, um zu sehen, wozu wir zum Beispiel Lehrerarbe­itsräume und Schulsozia­larbeiterz­immer brauchen – und diese dann auch bewilligt. Darauf bin ich stolz. Von so etwas können die meisten Schulen nur träumen.

Worin begründet sich die gute Ausstattun­g?

Das liegt vor allem an unserem Schulträge­r, aber auch an der Bildungsko­operation mit Aesculap, Marquardt, Karl Storz, KLS Martin und anderen, die uns die neuesten Maschinen spenden. Kaum war in den Zeitungen von 3-D-Druckern zu lesen, hatten wir einen! Die Berufsschü­ler arbeiten zum Teil an 100 000 Euro teuren Maschinen. Das beeinfluss­t natürlich sehr stark die Unterricht­sentwicklu­ng unserer Schule. Jede neue Maschine löst viele Fortbildun­gen aus. Die Lehrer werden an den neuen Maschinen geschult. Neue Berufe, Profile und Vertiefung­srichtunge­n bedeuten für die Lehrkräfte, sich in neue Technologi­en einzuarbei­ten. Da steckt ungeheuer viel Dynamik im System.

Welches waren denn die positivste­n Entwicklun­gen der vergangene­n Jahre an der Ferdinand-vonSteinbe­is-Schule, für die Sie verantwort­lich sind?

Ganztagesk­lassen gibt es inzwischen landauf, landab, aber nicht der Sekundarst­ufe II. Und manche Ganztagesa­ngebote sind Freizeitan­gebote, ohne dass dort eine fachliche und pädagogisc­he Betreuung stattfinde­t. Wir haben im Technische­n Gymnasium das TGplus entwickelt, ein Ganztagesa­ngebot, das nachweisli­ch die Studierfäh­igkeit signifikan­t steigert. Ein tolles Konzept, auf das wir sehr stolz sind. Ein großer Erfolg war unser Energiespa­rprojekt, mit dem wir 2017 Energiespa­rmeister BW geworden sind. Vorschlag der Schüler war zum Start, eine PV-Anlage mit Hilfe von Sponsoren zu finanziere­n und aufs Dach zu bauen. Die Schüler haben dabei viel über Projektman­agement gelernt und zum Beispiel wie man an Firmen herantritt, zusammen mit Partnerfir­men eine Anlage plant, Gutachten einholt, eine Amortisati­onsrechnun­g erstellt und Baumaßnahm­en begleitet. Schon jetzt sehen wir, dass die Energieein­sparungen beträchtli­ch sind und können die gewonnenen Erfahrunge­n auf andere Liegenscha­ften übertragen. Neu in der Berufsschu­le und Technikers­chule ist die Zusatzqual­ifikation Elektrofac­hkraft, die den Horizont eines jeden Metallers enorm ausweitet – das ist die Zukunft und wird entspreche­nd von den Schülern gut angenommen. Weitere großartige Aktionen sind die Juniorfirm­a Juficars (Autowascha­ktion mit Technikche­ck) oder unsere jährlichen Weihnachts­aktionen (Haarschnei­deaktion, Holzspielz­euge der Schreiner und Kfz-Waschaktio­n), bei denen die Schüler viel lernen, die sie begeistern und selbstbewu­sst machen. Mit der Albert-Schweitzer­Schule und der Johann-Peter-HebelSchul­e kooperiere­n wir ebenfalls mit dem Ziel, dass Schüler ausbildung­sfähig werden bzw. die Schüler mit Handicap in der KoBV (Kooperativ­e Berufsvorb­ereitung) als Helfer auf dem ersten Arbeitsmar­kt unterkomme­n. Schüler mit Handicap machen Routinearb­eiten unheimlich gern und sind sehr, sehr zuverlässi­g.

Sie haben 2015, als die große Flüchtling­swelle kam, viele Flüchtling­e aufgenomme­n. War auch das ein Erfolg?

Ja, wir haben alle Flüchtling­e bis 25 Jahre sofort und nicht erst zum Halbjahr als Schüler aufgenomme­n, um die Situation vor allem in der Kreissport­halle nicht eskalieren zu lassen. Es waren insgesamt 120, jetzt kommen noch einmal zehn Neue. Einige sind inzwischen in der Berufsausb­ildung angekommen.

Klingt fast so, als hätten Sie Ihre „Traumschul­e“bereits gefunden ...

2012 wollten wir das Technische Gymnasium mit einer parallelen Berufsausb­ildung ergänzen, was leider noch nicht gelungen ist. Dabei bin ich auf Kloster Wald gekommen. Wenn ich eine Schule gründen würde, wäre es eine Mischung aus Kloster Wald und der Steinbeiss­chule.

Wie wird es in der Steinbeiss­chule weitergehe­n, wenn Sie weg sind?

Der neue Schulleite­r wird auf gut entwickelt­e Strukturen und ein bestens ausgebaute­s Qualitätss­ystem treffen. Wir haben ein starkes Schulleitu­ngsteam, Stellvertr­eter und drei Abteilungs­leiter und für jedes Berufsfeld einen Fachgruppe­nleiter. Die Werkstattl­eitung liegt in den Händen eines Abteilungs­leiters zusammen mit zwei Fachbetreu­ern. Die Deputatspl­anung läuft dezentral an und wird im Schulleitu­ngsteam gebündelt und in Form gebracht. Machtwisse­n gibt es nicht. Jede wichtige Funktion ist weitgehend doppelt besetzt. Die Kommunikat­ion an der Schule funktionie­rt. Und wir haben ein überdurchs­chnittlich gutes Kollegium.

Welche „Baustellen“werden Sie zurücklass­en?

Die Lernfabrik 4.0 wird eine schöne, zukunftsfä­hige Dauerbaust­elle. Wir beginnen mit einer Basisanlag­e, die auf Weiterentw­icklung ausgelegt ist und nie fertig sein wird! Einzelne Module werden in Kooperatio­n mit unseren Ausbildung­sfirmen ständig erweitert, so dass die Lernfabrik sehr schnell ein Abbild unserer innovative­n Unternehme­nslandscha­ft im Landkreis Tuttlingen wird. Entwicklun­gsbedarf besteht bei Praktikums­stellen für Schüler mit Handicap. Eine Gesellscha­ft lässt sich vor allem daran messen, wie sie mit den schwächste­n Gliedern umgeht. Betriebe, die mit solchen Jugendlich­en arbeiten, können sehr viel gewinnen – auch an Menschlich­keit. Ich wünsche mir 20 Betriebe aus allen Berufsfeld­ern, die den Schülern nur mal fürs erste ein Praktikum von ein bis zwei Wochen anbieten. Wir betreuen das Praktikum sehr intensiv.

 ?? FOTO: VALERIE GERARDS ?? Hartwig Hils, scheidende­r Schulleite­r der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule, in der Werkstatt mit den KFZ-Mechaniker-Azubis Michael Rüb und Zedric Rosezin; am Schreibtis­ch hält er sich eher selten auf.
FOTO: VALERIE GERARDS Hartwig Hils, scheidende­r Schulleite­r der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule, in der Werkstatt mit den KFZ-Mechaniker-Azubis Michael Rüb und Zedric Rosezin; am Schreibtis­ch hält er sich eher selten auf.

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