„Unser Bahnhof wird jetzt barrierefrei“
Bürgermeister Gerd Hieber zum behindertengerechten Ausbau des Bahnhofs in Sulz
SPAICHINGEN - Viele Bahnhöfe entlang der neuen IC-Trasse auf der Gäubahn haben das Problem, nicht behindertengerecht zu sein. Die Stadt Sulz am Neckar, ähnlich groß wie Spaichingen, hat im Oktober vergangenen Jahres in Kooperation mit der Bahn begonnen, ihren Bahnhof barrierefrei auszubauen. Wie es die Sulzer gemacht haben, hat Regina Braungart den Sulzer Bürgermeister Gerd Hieber gefragt.
Herr Hieber, was war in Sulz die Ausgangslage?
Der Bahnhalt hat in Sulz eine wichtige Rolle für die Stadt. Wir haben rund um den Bahnhof ein Gewerbegebiet angesiedelt. Viele Beschäftigte nutzen den Zug. Außerdem hatten wir die Bundweberei, die später Bundeswehrdepot wurde, welche den Bahnhof als Güterbahnhof genutzt haben. Als die Bundeswehr den Standort aufgegeben hat, haben wir im Rahmen des Landessanierungsprogramms das Areal umgebaut, saniert und entwickelt. Es zog mit privaten Unternehmen, der Stadthalle im Backsteinbau und auch Wohnungen wieder Leben in das Gebiet ein. Zuvor waren die Nutzerzahlen am Bahnhof auf 400 Bewegungen am Tag gesunken.
Die Grenze für die Bahn, einen Bahnhof selber barrierefrei zu machen, liegt ja bei 1000.
Ja, trotz unserer Anstrengungen, auch mit Parkplätzen für Pendler nach Stuttgart, und der Aufwertung des Bahnhofsumfelds liegen wir immer noch darunter, so bei 800 bis 900. Die Qualität der Bahnsteige wurde nicht verändert. Der Zugang zu den mittleren Gleisen erfolgt über eine steile Treppe und eine schmale Unterführung. Es ist dort dunkel und riecht unangenehm. Außerdem hat sich im Laufe der Jahrzehnte das Gleisbett durch Arbeiten der Bahn immer mehr angehoben, aber die Bahnsteige selbst nicht. Man musste fast turnerische Qualitäten haben und bis zu 70 Zentimeter überwinden, um in einen Zug ein- beziehungsweise aussteigen zu können. Für ältere Menschen, die heute sehr mobil sind, ein echtes Problem.
Die Initiative ist also von Ihnen ausgegangen?
Ja, es gab viele Ortstermine, auch mit Bund und Land. Es hat sich bewährt, dass wir als Stadt eine Vorstellung davon hatten, was wir wollten, und waren froh, dass wir durch den Bau einer Straßenunterführung unter den Bahngleisen vor 15 Jahren bereits gute Kontakte zu den richtigen Planern hatten. Und mit dem Gemeinderat hatten wir in den Haushalt entsprechende Mittel eingestellt, was der Bahn signalisiert hat: Wir stehen Gewehr bei Fuß.
Und wie sind Sie dann vorgegangen?
Über viele Jahre hinweg haben wir auf politischer Ebene Gespräche geführt. Wir haben versucht, die Interessen der Stadt mit den Interessen der Bahn zu koordinieren. Ausgelöst durch den Interimsfahrplan und das neu eingesetzte Zugmaterial muss die Bahn ihre Bahnsteige entlang der Gäubahn sanieren. Hier haben wir uns jetzt so geeinigt: die Bahn saniert und erhöht in Sulz den Mittelbahnsteig, baut die Schächte für zwei Aufzüge und wir bezahlen den Einbau der Aufzugsanlagen.
Was bezahlt die Stadt dann?
In der Summe liegen die Investitionen für die Aufzüge etwa bei einer Million Euro. Das ist aber weniger, als das, was wir ursprünglich vorhatten. Wir wollten das ganze Umfeld der Bahnhofsanlage einladend verändern und die Überdeckelung der Unterführung verkürzen und öffnen, damit sie heller und freundlicher wird. Doch die Förderprogramme, über die wir bezuschusst werden, reduzieren das Thema Barrierefreiheit ausschließlich auf den Einbau von Aufzügen, und so mussten wir uns von der großen Lösung verabschieden. Finanziell hätten wir das alleine nicht stemmen können, zumal der größte Teil der Investitionen auf dem Gelände der Bahn stattgefunden hätte.
Wie sind Sie im Verhältnis zur Bahn vorgegangen?
Wir haben die Baumaßnahmen der Bahn und unser Vorhaben im Vorfeld gleichgeschaltet. Das heißt, nach außen nimmt man alles als eine Baumaßnahme wahr.
Und die Kooperation mit der Bahn funktioniert?
Mit den Stellen, mit denen wir es zu tun haben, funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut.
Und wie ist die Reaktion der Bevölkerung?
Einerseits sind nach vielen Jahren der Diskussion und Auseinandersetzung mit dem Thema alle froh, dass es jetzt voran geht, andererseits ist die Enttäuschung natürlich groß, weil wir nicht die große Lösung hinbekommen haben. Aber man muss schon sehen: Unser Bahnhof wird jetzt barrierefrei.