Das sagen die Interessenvertretungen
Die Stimmung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB)
zum Koalitionsvertrag von Union und SPD bezeichnet Peter Fischer als „gedämpft optimistisch“. Er ist seit 1. Februar Gewerkschaftssekretär des DGB Südbaden in Tuttlingen. Im Koalitionsvertrag sei die Handschrift der SPD erkennbar. Doch es sei vieles nur allgemein oder als Ziel formuliert: „Im Endeffekt kommt es auf die Umsetzung an.“Das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit in bestimmten Fällen findet er gut: „Wir wissen von einem Großteil der Frauen, dass sie wieder in Vollzeit arbeiten wollen. Es macht einen Unterschied, ob sie einen Rechtsanspruch haben oder ob sie betteln müssen.“Zudem heiße es im Koalitionsvertrag, dass die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen nicht grundsätzlich verboten, sondern die Möglichkeit zur Beeiner fristung eingeschränkt werden solle. Diesen Punkt sieht Fischer kritisch: Der DGB spreche sich klar gegen die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen aus. Alles andere ist für Fischer „absolut unverständlich“: Einerseits klage man über Fachkräftemangel, andererseits wolle man jungen Leuten, die befristete Verträge bekommen, keine Zukunft bieten. (alex)
Für Dieter Teufel, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg,
steht fest: „Die Einigung auf diesen Koalitionsvertrag war eine schwere Geburt mit einem Kompromiss, der für jeden etwas beinhaltet. Das ist gleichzeitig Schwäche und Stärke der Einigung. Insgesamt hätte ich mir mehr Mut für die Herausforderungen der Zukunft gewünscht.“Positiv seien die Verlässlichkeit solchen Koalition sowie die beschlossenen Zukunftsinvestitionen in Bildung und Digitalisierung. Ausgeblieben sei etwa eine umfassende Steuerreform, die mithelfe, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern: „Hier hätte ich mir von den Parteien mehr Mut und Gestaltungswille erhofft“, sagt er. (cg) Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
sieht im Koalitionsvertrag eine „gute Absicht“, befristete Arbeitsverhältnisse einzudämmen. Der Tuttlinger Kreisvorsitzende, Günther ThumStörk, sieht in dieser Beschäftigungsart für die rund zehn Prozent seiner Kollegen, die ihren Beruf in Baden-Württemberg als Arbeitnehmer ausüben, eine der problematischsten Entwicklungen: „Rund die Hälfte dieser Lehrer sind befristet beschäftigt, mit steigender Tendenz.“Bei Lehrkräften würden fast ausschließlich Sachgrundbefristungen wie Mutterschutz, Elternzeit, Sonderurlaube oder Erkrankungen angewendet. „Wir wollen uns dafür einsetzen, dass diese Kollegen durch Möglichkeiten der Qualifikation in unbefristete Positionen übernommen werden können“, sagt er. Hierzu habe er im Koalitionsvertrag nichts erkennen können. (mal) Aus Sicht der Caritas Schwarzwald-Alb-Donau
sind im Koalitionsvertrag einige Punkte, „die in eine gute Richtung gehen“, sagt Regionalleiterin Manuela Mayer. Etwa die Förderung der Teilhabe Langzeitarbeitsloser am Arbeitsmarkt: „Da fordern wir schon lange, dass es etwas geben muss. Es ist einfach nicht jeder für den ersten Arbeitsmarkt geeignet“, sagt Mayer. Wenn man genau hinschaue, solle das Programm allerdings nur für 150 000 Personen gelten: „Wir haben aber 900 000 Langzeitarbeitslose in Deutschland.“Auch bei anderen Themen will sie die konkrete Umsetzung abwarten, etwa beim sozialen Wohnungsbau. „Es ist gut, dass das Thema angekommen ist. Aber für uns ist fraglich, inwiefern der Bund Einfluss nehmen kann.“Zudem wünscht sie sich noch mehr Ansätze für von Armut bedrohten Familien. Besonders junge Menschen sollte die Politik in den Blick nehmen: „Es kann einfach nicht sein, dass ein 22-Jähriger bei der Wohnungslosenhilfe landet.“(dh)
Für Gotthard Reiner, Präsident der
Handwerkskammer Konstanz, die auch für Tuttlingen zuständig ist, ist der Entwurf des Koalitionsvertrags „enttäuschend“. Was nach den Verhandlungen herausgekommen sei habe ihn überrascht – auch in der Ressort-Verteilung. „Die CDU hat sich die Butter vom Brot nehmen lassen“, urteilt Reiner. Er prognostiziert, dass die Wünsche und Zusagen von Union und SPD teuer werden. Von einer Steuerentlastung oder -reform sei so gut wie nichts zu sehen. Die Bürokratie belaste das Handwerk, daher hatte er gehofft, dass Union und SPD in Sachen Forumlare und Statistiken den Druck herausnehmen: „Man braucht fast einen Rechtsanwalt, wenn man einen Vertrag wasserdicht abschließen möchte“. (cg)