Lippenbekenntnisse genügen nicht
Die „Neue Zürcher Zeitung“hat deutsch-syrische Menschenrechtler auflisten lassen, in welch hohem Maße die sogenannte Weltgemeinschaft in Syrien versagt: Ungesühnt sind dort der Einsatz von Giftgas, die systematischen Hungerblockaden, Folter und Mord in den Gefängnissen, öffentliche Enthauptungen und Versklavungen von Frauen durch islamistische Terroristen, das gezielte Bombardement von Krankenhäusern und Schulen. 500 000 Tote wurden seit 2011 gezählt, und die Hälfte der Bevölkerung ist vertrieben worden. Die Konventionen zum Schutz von Zivilisten sind Makulatur.
Alles, was Vertreter der Vereinten Nationen oder auch der Europäischen Union und deren Mitgliedsstaaten versuchen, schlägt fehl. Es gibt keinen internationalen Konsens für eine Politik, die diesen Krieg und das unfassbare Leid der Bevölkerung beenden könnte. Der Weltsicherheitsrat wird von der Vetomacht Russland blockiert. Doch mit einer sogenannten Notstandssondertagung der UN-Generalversammlung könnte dieses Gremium mit einer Zweidrittelmehrheit ausgehebelt werden. Mit der Resolution 377 „Vereint für den Frieden“hatten die Vereinten Nationen 1950 auf den Koreakrieg reagiert und diese Möglichkeit ausdrücklich geschaffen.
Kanada hatte bereits 2016 bei der Einkesselung von Aleppo versucht, diese außerordentliche Generalversammlung einzuberufen. Leider ohne Erfolg. Ein zweites Aleppo sollte es nicht geben, aber die schrecklichen Bilder aus Ost-Ghuta erinnern doch stark an damals. Das Schicksal der Menschen in Syrien zählt weder in den Augen von Präsident Assad noch in der Wahrnehmung der fanatischen Rebellen.
Um als Weltgemeinschaft nicht völlig unglaubwürdig zu sein, sollten jene, die so häufig das Völkerrecht und die Menschenrechte zitieren, eine UN-Notstandssondertagung einfordern. Das ginge binnen 24 Stunden, hierfür wären 97 von 193 UNMitgliedsstaaten nötig. Den Missbrauch des Vetorechts im UN-Sicherheitsrat hinzunehmen und Lippenbekenntnisse zu den Grausamkeiten abzugeben, reicht nicht.