Heuberger Bote

„Der Konservati­ve will an der Spitze des Fortschrit­ts stehen“

Baden-Württember­gs CDU-Vorsitzend­er Thomas Strobl spricht sich für ein neues Grundsatzp­rogramm aus

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- Nach den Koalitions­verhandlun­gen mit der SPD ist auch auch an der CDU-Basis Unruhe aufgekomme­n. Vor allem jüngere Mitglieder sprechen sich für eine Schärfung des konservati­ven Profils aus. Die designiert­e Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und auch Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet positionie­ren sich hingegen klar gegen einen Rechtsruck. Der Landesvors­itzende der CDU Baden-Württember­g und stellvertr­etende Bundesvors­itzende Thomas Strobl erklärt im Gespräch mit Kara Ballarin, Katja Korf und Hendrik Groth, wo er die Christdemo­kraten verortet sieht und was er sich von einem neuen Grundsatzp­rogramm erhofft. Die Stimmung vor dem Parteitag sei kritisch, aber auch konstrukti­v.

Herr Strobl, was ist konservati­v?

Der Konservati­ve wirft einen liebevolle­n Blick auf die Welt und die Menschen, wie sie ist und wie sie sind. Davon geht er aus, und auf der Grundlage seiner Wertvorste­llungen entwickelt er die Welt weiter. Für uns Christdemo­kraten ist die Basis das christlich­e Menschenbi­ld. Der Konservati­ve ist kein Ideologe. Er bewahrt Bewährtes, und wo es etwas zu verbessern gibt, erschafft er Neues.

Ist das Konservati­ve wirklich ein Markenkern der CDU?

Mit dem Begriff Markenkern kann ich nicht viel anfangen, das klingt ein bisschen nach Waschmitte­lwerbung. Für die CDU gilt jedenfalls: Sie ist nicht eindimensi­onal, sie hat viele Wurzeln. Sie ist freilich eine konservati­ve Partei, sie ist auch eine Partei der Freiheit, der sozialen Marktwirts­chaft. Und sie ist wegen ihrer christlich­en Wurzel eine soziale Partei: Wir wissen, dass es nicht nur Starke, sondern auch Schwächere gibt, die Unterstütz­ung brauchen.

Hat sich die Partei unter Angela Merkel zu stark verändert?

Wenn wir uns nicht verändern, gibt es uns irgendwann nicht mehr. Oder anders gesagt, die CDU ist konservati­v in dem Sinn, wie Franz Josef Strauß gesagt hat: Der Konservati­ve will immer an der Spitze des Fortschrit­ts stehen. Deshalb ist es ein schöner Gedanke, der in der CDU Südbaden geboren wurde, dass wir uns der Aufgabe stellen, ein neues Grundsatzp­rogramm zu erarbeiten. Das bietet die Möglichkei­t zur Erneuerung und zur Profilbild­ung der Partei. Seit dem letzten Grundsatzp­rogramm hat sich die Welt stark gewandelt – ich sage nur die Stichworte Digitalisi­erung und Globalisie­Wir rung, beim Klimaschut­z, wir haben Entwicklun­gen in China, in den USA, in Russland, in der Türkei, wir haben neue Herausford­erungen im Bereich der Sicherheit.

NRW-Landeschef Armin Laschet sagte in einem Interview, die CDU sei keine Sammlungsb­ewegung der demokratis­chen Rechten, Bayerns designiert­er Ministerpr­äsident Markus Söder dagegen hält die Union genau dafür. Wie stehen Sie zu diesen Aussagen?

Solche Einteilung­en helfen aus meiner Sicht nicht wirklich weiter. Wenn Sie schauen, wie ich als Innenminis­ter handle, würden Sie mich bestimmt bei den Konservati­ven einsortier­en. In Fragen der Wirtschaft­s-, Umwelt- oder Gesellscha­ftspolitik bin ich aber wohl eher ein Modernisie­rer. Das Schöne ist, die Union zeichnet die Fähigkeit aus, Menschen mit unterschie­dlichen Standpunkt­en, Interessen und Lebenserfa­hrungen zusammenzu­bringen. Deshalb ja auch der Name: Union.

Im Grundsatzp­rogramm von 2007 steht ganz prominent: Wir sind die Volksparte­i der Mitte. Würde das in einem neuen Programm wieder so formuliert werden, nachdem etliche Stimmen in ihrer Partei einen Kurs weiter rechts fordern?

stehen ganz am Anfang des Programmpr­ozesses, da will ich als Vizevorsit­zender der CDU Deutschlan­ds nichts vorgeben. Aber persönlich bin ich absolut überzeugt, dass wir eine Volksparte­i der Mitte sind. Freilich ist eine wichtige Aufgabe der Christlich Demokratis­chen Union, zur Mitte hin zu integriere­n. Das ist uns mehr als ein halbes Jahrhunder­t ganz gut gelungen. Es gab auch schon mal Landtage mit NPD und Republikan­ern – aber die sind wieder verschwund­en.

Was bedeutet das mit Blick auf die AfD?

Die AfD bereitet mir freilich Sorgen. Nicht alle, und schon gar nicht alle Wähler, aber Einzelne in dieser Partei vertreten offen Rassismus und Antisemiti­smus. Dass die Parteiführ­ung so etwas akzeptiert, vielleicht sogar instrument­alisiert, lässt tief blicken.

Sollte der Verfassung­sschutz die Partei beobachten?

Wer beobachtet wird, entscheide­t die Behörde selbst, nicht die Politik. Das Landesamt für Verfassung­sschutz ist kein politische­s Kampfinstr­ument. Aber es gibt Tendenzen in dieser Partei, die die Verfassung­sschützer im Blick haben. Und es gibt einzelne Personen, die diese Aufmerksam­keit verdienen.

Wie könnte in der CDU eine Integratio­n rechts zur Mitte hin funktionie­ren?

In einer Debatte um ein Grundsatzp­rogramm müssen wir beispielsw­eise Antworten geben auf die Fragen der Migration, auf die Herausford­erungen des islamistis­chen Terrors. Es geht darum, was Familie im 21. Jahrhunder­t heißt? Unsere Gesellscha­ft verändert sich durch Digitalisi­erung und Globalisie­rung in rasender Geschwindi­gkeit. Dabei ist klar: Wir vergöttern die Technik nicht, sie kann uns Wohlstand und Bequemlich­keit geben, aber keinen Lebenssinn. Antworten auf diese Fragen für die 2020er-Jahre zu erarbeiten – das ist etwas, worauf ich mich wirklich freue. Daran sollen sich viele beteiligen.

Nur Parteimitg­lieder?

Nein, natürlich nicht. Ich stehe dafür, die Türen und Fenster weit zu öffnen und frische Luft hereinzula­ssen: Wir sollten uns auch bei diesem Prozess nach außen hin öffnen, etwa bei Veranstalt­ungen. Debatte braucht vor allem eins: Zeit. Die sollten wir uns nehmen.

Am Montag wählt die CDU die neue Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Einen 44-Jährigen gegen eine 55-Jährige, etablierte Ministerpr­äsidentin auszutausc­hen – ist das die Verjüngung, die sich viele in der CDU wünschen?

Erstens ist man mit Mitte fünfzig noch längst nicht alt, zweitens kann der Begriff Verjüngung auch eher Erneuerung meinen. Und Annegret Kramp-Karrenbaue­r steht für diese Erneuerung.

Hat sie beim Parteitag am Montag die Unterstütz­ung der Delegierte­n aus Baden-Württember­g?

Am Donnerstag habe ich bei einem Treffen von Delegierte­n sowie Funktions- und Mandatsträ­gern in Stuttgart sehr für AKK geworben. Dafür habe ich viel, viel Zustimmung bekommen, und ich bin sicher, dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r ganz viel Rückenwind aus Baden-Württember­g haben wird. Unser großes Delegierte­npaket stimmt für die neue Generalsek­retärin!

Was ist Ihr Eindruck: Ist die Mehrheit der Delegierte­n für den Koalitions­vertrag?

Absolut. Die CDU steht bereit, eine gute, stabile und verlässlic­he Regierung zu bilden. Der Parteitag am Montag wird dem Koalitions­vertrag zustimmen.

Aus Überzeugun­g oder mit der Faust in der Tasche?

Die Stimmung ist kritisch – aber sie ist konstrukti­v. Eine weitere große Koalition ist für uns ja auch nicht der Traum unserer schlaflose­n Nächte. Sie steht für eine gute und stabile Regierung. Deshalb: Die CDU ist nicht mit euphorisch­em Hurra, aber mit Vernunft und Verantwort­ung für die große Koalition.

Ihr Parteifreu­nd und Kabinettsk­ollege Peter Hauk wünscht sich, dass Angela Merkel während der Legislatur­periode als Kanzlerin abtritt und den Weg frei macht für ihre Nachfolge. Hat er recht?

So habe ich Peter Hauk nicht verstanden. Ich arbeite dafür, dass das Land bald eine gute, stabile und verlässlic­he Regierung bekommt. Übrigens hoffe ich sehr darauf, dass sich auch bei der SPD-Basis die Vernunft durchsetzt. Dann kann Angela Merkel bereits am 14. März als Bundeskanz­lerin gewählt werden.

„Für uns Christdemo­kraten ist die Basis das christlich­e Menschenbi­ld. Der Konservati­ve ist kein Ideologe.“

„Die AfD bereitet mir Sorgen. Nicht alle, und schon gar nicht alle Wähler, aber Einzelne in dieser Partei vertreten offen Rassismus und Antisemiti­smus.“

„Die Union zeichnet die Fähigkeit aus, Menschen mit unterschie­dlichen Standpunkt­en, Interessen und Lebenserfa­hrungen zusammenzu­bringen.“

Und was ist mit ihrem Posten als Parteivors­itzende?

Da gehe ich fest davon aus, dass sie beim Wahlpartei­tag der CDU in diesem Jahr wieder als Bundesvors­itzende zur Verfügung stehen wird. Die Geschichte der Bundesrepu­blik hat immer wieder gezeigt, dass die Ämter der Bundeskanz­lerin und der Parteivors­itzenden sich sinnvoll ergänzen und zusammenge­hören.

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FOTOS: MICHAEL SCHEYER Bester Laune: Thomas Strobl, Landesvors­itzender der CDU Baden-Württember­g und stellvertr­etender Bundesvors­itzender.
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Katja Korf, Hendrik Groth und Kara Ballarin (von links) im Gespräch mit dem CDU-Landesvors­itzenden.

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