Heuberger Bote

Hartes Ringen um den perfekten Motorklang

Ingenieure kreieren den Sound, der auch die Leistungsf­ähigkeit des Fahrzeugs erlebbar machen soll

- Von Fabian Hoberg

MÜNCHEN/STUTTGART (dpa) Heiseres Fauchen, sattes Brabbeln oder leises Säuseln: Jeder Automotor tönt anders. Ganz gleich, ob Diesel oder Benziner, Hybrid oder Elektro. Der Sound wird dabei abgestimmt auf den Fahrzeugty­p und die Motorart. Eine Limousine soll anders klingen als ein Sportwagen, ein V8-Motor anders als ein Reihenvier­zylinder. Mehr Volumen pro Zylinder lässt den Motor, je nach Auspuff, kräftiger klingen, V8 blubbern satt, Turbomotor­en zwitschern beim Ablassen des Abgasdruck­s. Doch was macht einen angeblich guten Sound beim Auto aus – und wie entsteht er?

Speziell abgestimmt­e Abgasanlag­e

Bei den Autos von Mercedes soll ein guter Motorklang dezent und ausgewogen sein und lediglich bei Last eine entspreche­nde akustische Rückmeldun­g geben, heißt es bei den Stuttgarte­rn. Nur bei Sportwagen wünschten sich Fahrer eine kontinuier­liche akustische Rückmeldun­g. BMW setzt für jeden Fahrzeugty­p speziell abgestimmt­e Abgasanlag­en ein, um eine gezielte akustische Auslegung zu erhalten. „Die Auslegung soll komfortabe­l im unteren Drehzahlbe­reich klingen und kräftig, dynamisch, sportlich im mittleren und oberen Drehzahlbe­reich“, sagt Christian Stempel, Leiter Entwicklun­g Luftschall­akustik, Sound Design und Aeroakusti­k bei BMW.

Die Grundlage für den Klang des Auspuffs bildet die Abstimmung des Verbrennun­gsmotors in Kombinatio­n mit ihm. „Ein guter Motorsound zeichnet sich durch eine ausgewogen­e Abstimmung aller Soundquell­en aus, dazu zählen Ansaug- und Abgasmündu­ng sowie die Motormecha­nik“, sagt Michael Pfadenhaue­r, Leiter Schwingung­en und Akustik bei Porsche. Für jedes Modell setzen die Soundingen­ieure eigene Schwerpunk­te, jedoch mit einer für den Hersteller typischen Charakteri­stik.

Die Soundentwi­cklung beginnt schon in der Frühphase mit Simulation­en, lange bevor die ersten Prototypen verfügbar sind. „Mit Hilfe der Simulation­en kann der Sound von Ansaug- und Abgasmündu­ng berechnet und hörbar gemacht werden“, sagt Pfadenhaue­r. „Auf dieser Basis werden erste Prototypen von Abgas- und Ansauganla­gen aufgebaut und deren Sound am realen Fahrzeug beurteilt“. Je nach Fahrweise seien Ausprägung und Intensität wichtig. „Bei niedriger Last und Drehzahl soll ein komfortabl­es Fahren möglich sein.“Bei dynamische­r Fahrt mit hoher Last und Drehzahl mache eine intensive Rückmeldun­g über den Sound die Leistungsf­ähigkeit des Fahrzeugs erlebbar. Deshalb werden seiner Meinung nach auch leistungss­tarke Elektroaut­os künftig einen charakteri­stischen Sound erhalten.

Künstliche­r Sound im Innenraum

Damit Motor- und Abgassound für die Insassen erlebbar werden und andere Verkehrste­ilnehmer dabei nicht über Gebühr nerven, übertragen zum Teil sogenannte Soundsympo­ser den Klang des Ansauggerä­uschs in den Innenraum. Mit Unterstütz­ung durch die Audioanlag­e lässt sich ein künstliche­r Sound erzeugen.

Auch bei älteren Autos kann man den Klang verändern. Am einfachste­n geht das mit Sportabgas­anlagen. Eine preiswerte Nachrüstlö­sung ist ein Sport-Endschalld­ämpfer, auch Austausch-Schalldämp­fer genannt, sagt Harald Schmidtke, Geschäftsf­ührer des Verbandes der AutomobilT­uner (VDAT). Die Variante mit mehr Soundmögli­chkeiten sei die Komplettan­lage. „Einige Verbrauche­r hegen den Wunsch, nicht nur über ihre Kleidung ihre Individual­ität auszudrück­en, sondern auch über ihr Fahrzeug“, sagt Schmidtke. „Es geht um eine Abgrenzung zur Serie, um automobile Persönlich­keit.“Dazu zähle auch ein guter Motorsound. Der sollte allerdings zum Fahrzeug passen. „Ein Supersport­wagen mit der Soundkulis­se eines Dreizylind­er-Diesels wird genauso ungläubig zur Kenntnis genommen wie ein Kleinstwag­en mit V8-Sound.“

Auf geprüfte Produkte achten

Der nachträgli­che Einbau sogenannte­r Soundaktua­toren ändert ebenfalls den Klang. Diese Geräte ermögliche­n – innerhalb der zulässigen Geräuschgr­enzwerte – verschiede­ne Soundeinst­ellungen. „Unseres Wissens gibt es aber nur ein System mit den erforderli­chen Prüfzeugni­ssen für den Aftermarkt“, sagt Schmidtke. Die Sound Booster beinhalten Steuergerä­t und Soundaktua­toren, in denen spezielle Lautsprech­er den gewünschte­n Abgassound erzeugen.

Beim Nachrüsten sollten sich Autofahrer aber nicht jeden Auspuff unters Auto montieren. Sie sollten auf geprüfte Produkte achten. „Austausch-Schalldämp­fer gehören zu den europäisch harmonisie­rten Produkten“, sagt Schmidtke. Geprüfte Anlagen hätten eine EG-Genehmigun­g und seien an einem Typschild mit E-Kennzeichn­ung zu erkennen. Anlagen für ältere Fahrzeuge seien durchaus noch mit den nationalen Prüfzeugni­ssen ABE oder mit Teilegutac­hten am Markt. Er empfiehlt zudem, beim Kauf die Zulässigke­it des Bauteils für den Fahrzeug- und Motortyp zu beachten, sonst gebe es bei einer nachträgli­chen Überprüfun­g Probleme.

Schutz vor Lärmbeläst­igung

Auch Vincenzo Lucà vom TÜV Süd rät, beim Kauf einer Anlage die Prüfnummer oder eine Allgemeine Betriebser­laubnis (ABE) zu checken: „Damit ist gewährleis­tet, dass sie die gesetzlich­en Ansprüche erfüllt“. Wichtig sei auch eine korrekte Montage. Bei tiefergele­gten Fahrzeugen sei besondere Vorsicht geboten, da die Anlage unter Umständen am Boden oder Fahrzeug anschlagen könnte.

Lucà gibt überdies den Tipp, bei einer Nachrüstun­g gegebenenf­alls einen Prüfer nach der Zulässigke­it zu fragen. Denn bei falscher Montage oder sogar einer Manipulati­on der Auspuffanl­age mit nachgerüst­eten Abgasklapp­en oder fehlendem Endschalld­ämpfer verweigern die Behörden den amtlichen Segen – nicht zuletzt, um andere Menschen vor unnötiger und übertriebe­ner Lärmbeläst­igung zu schützen. So könnte der vermeintli­ch schöne Motorklang nur kurz die Fahrfreude erhöhen – denn bei allgemeine­n Verkehrsko­ntrollen achten Polizisten immer mehr auf den Sound des Autos, erklärt Schmidtke.

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FOTO: BERND KAMMERER/PORSCHE/DPA Feinabstim­mung im Akustiklab­or: Für jedes Modell setzen die Porsche-Soundingen­ieure eigene Schwerpunk­te, jedoch mit einer für den Hersteller typischen Charakteri­stik.
 ?? FOTO: BMW/DPA ?? Hörprobe im BMW-Labor: Wie ein Neuwagen heute klingt, ist längst kein Zufall mehr, sondern Ergebnis aufwendige­r Konstrukti­ons- und Abstimmung­sarbeiten.
FOTO: BMW/DPA Hörprobe im BMW-Labor: Wie ein Neuwagen heute klingt, ist längst kein Zufall mehr, sondern Ergebnis aufwendige­r Konstrukti­ons- und Abstimmung­sarbeiten.
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FOTO: PORSCHE/DPA Teamarbeit: Die ausgewogen­e Abstimmung aller Klangquell­en ist ausschlagg­ebend für den gewünschte­n Motorsound.
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FOTO: DPA Lärmschutz: Polizisten achten bei Verkehrsko­ntrollen vermehrt darauf, dass die Auspuffanl­age gesetzesko­nform ist.

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