Heuberger Bote

Simulierte­r Arbeitsall­tag

Assessment-Center schienen kurz aus der Mode – Jetzt gibt es sie wieder, leicht verändert und unter neuen Namen

- Von Tobias Hanraths

Die letzte Klausur ist geschriebe­n, die Abschlussa­rbeit fertig. Doch auf viele Berufseins­teiger wartet jetzt noch eine große Prüfung – und wenn es um den Traumjob geht, vielleicht sogar die wichtigste. Das Assessment-Center: berühmt-berüchtigt­e Auswahltag­e voller Tests, mit denen Unternehme­n nach den besten Nachwuchsk­räften suchen.

Vor ein paar Jahren war der Begriff noch in aller Munde, inzwischen ist es still geworden um ihn. Das liegt aber nicht daran, dass es die Assessment-Center nicht mehr gibt – im Gegenteil. Nach einem kurzzeitig­en Rückgang ist ihre Zahl sogar wieder gestiegen, sagt Katharina Hain, die bei der Personalbe­ratung Hays die Abteilung Rekrutieru­ngsmanagem­ent leitet.

Vor allem Positionen für Hochschula­bsolventen, in Trainee-Programmen zum Beispiel, und für Führungskr­äfte besetzen Arbeitgebe­r auf diesem Weg. „Grundsätzl­ich sind Assessment-Center meist für Positionen geeignet wie im Vertrieb, im Verkauf oder in der Beratung – also überall da, wo Social Skills wichtiger sind als Hard Skills“, sagt Hain. Und meist sind die Veranstalt­er eher große Unternehme­n, allen voran die Dax-Konzerne.

Auswahltag oder Meet & Greet

Von Assessment-Center spricht dabei heute allerdings kaum noch ein Arbeitgebe­r. Stattdesse­n heißen die Veranstalt­ungen zum Beispiel Auswahltag, Bewerberwo­rkshop oder Meet & Greet. Hinter dem schicken neuen Namen steckt allerdings die gleiche Veranstalt­ung wie vorher. „Unabhängig vom Namen ist die Methodik immer die gleiche“, sagt Coach und Ratgeber-Autor Johannes Stärk. „Also Situatione­n aus dem Arbeitsall­tag zu simulieren, Druck zu erzeugen und den Bewerber dann darin zu beobachten.“

Der genaue Ablauf ist zwar immer anders. Bestimmte Situatione­n und Übungen tauchen aber eigentlich in jedem Assessment-Center auf, sagt Stärk. Das zeigt auch eine Studie von Obermann Consulting, erstellt im Auftrag des Arbeitskre­ises Assessment-Center. Eine Präsentati­on, ein simulierte­s Zweiergesp­räch und ein Interview kommen demnach jeweils in mehr als 80 Prozent der Auswahlver­fahren zum Einsatz. „Wenn Sie auf diese drei in irgendeine­r Form eingestell­t sind, sind Sie für das Assessment-Center eigentlich schon gut gerüstet“, sagt Stärk. Doch was verbirgt sich dahinter? Vielleicht die einfachste Variante ist noch die Präsentati­on, aus dem Studium schon zur Genüge bekannt – im Assessment-Center nur meist mit mehr Zeitdruck und eventuell ein paar kniffligen Nachfragen.

Was beim Zweiergesp­räch genau passiert, hängt vom Job ab: Angehende Führungskr­äfte müssen vielleicht ein Mitarbeite­rgespräch simulieren, Vertrieble­r etwas verkaufen. „Im Idealfall sind die simulierte­n Situatione­n tatsächlic­h der Arbeitsall­tag“, sagt Stärk. „Sie geben dann wirklich eine Art Arbeitspro­be ab.“Und das Interview ist im Grunde nichts weiter als ein reguläres Vorstellun­gsgespräch, nur mit einem strukturie­rten Fragebogen. So sind die Antworten mehrerer Bewerber für den Arbeitgebe­r besser vergleichb­ar, erklärt Stärk.

Strategisc­he Lösung entwickeln

Dazu kommen je nach Unternehme­n und Job weitere Aufgaben. Recht populär ist nach Angaben von Obermann Consulting zum Beispiel die Fallstudie: Hier müssen Bewerber aus einer Vielzahl von Materialie­n die wesentlich­en Informatio­nen zusammensu­chen und dann eine strategisc­he Lösung für ein Problem entwickeln.

Andere Aufgaben haben an Beliebthei­t verloren: Die Gruppendis­kussion etwa, die 2008 noch in fast 80 Prozent aller Assessment-Center zu finden war, kommt heute nur in 40 Prozent der Fälle zum Einsatz. Ähnlich verbreitet ist die PostkorbAu­fgabe, in der Bewerber unter Beweis stellen müssen, wie gut sie eingehende Nachrichte­n und Termine delegieren oder sortieren können. Beispiele für viele dieser Aufgaben gibt es im Internet. Und wer es ganz genau wissen will, kann sich auch für Vorbereitu­ngskurse anmelden. Teuer müssen die nicht sein: 2014 fand die Stiftung Warentest heraus, dass eintägige und eher günstige Angebote von Volkshochs­chulen mit den kosten- und oft zeitintens­iven Trainings privater Anbieter durchaus mithalten können.

Dazu hilft es, mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu laufen: „Bei Fallstudie­n oder Gruppendis­kussionen geht es oft um aktuelle Themen“, sagt Katharina Hain. „Hier kann es sich also lohnen, vorher mal die Nachrichte­n zu verfolgen. Und generell sollte ich auch wissen, was die Branche umtreibt.“Wer also zum Auswahltag bei einem großen Autobauer erscheint, ohne grob über den Abgasskand­al Bescheid zu wissen, macht vermutlich etwas falsch. Ansonsten macht Übung auch bei Auswahlver­fahren den Meister. „Ich glaube, dass man im zweiten oder dritten Assessment-Center oft besser ist, genau wie im zweiten oder dritten Bewerbungs­gespräch“, sagt Hain. Das müsse aber nicht immer so sein: Wer beim ersten Assessment­Center versagt, ist beim zweiten vielleicht erst richtig nervös.

Rückschläg­e meistern

Der bewusste Umgang mit solchen Rückschläg­en gehört aber ohnehin dazu, sagt Stärk. Denn auch das sagt dem potenziell­en Arbeitgebe­r etwas über die Persönlich­keit. „Dass bei so einem Assessment-Center nicht alles glatt läuft, ist normal“, so der Experte. „Da ist es dann wichtig, dass ich es weiter durchziehe. Mittendrin auszusteig­en, ist eigentlich das Schlechtes­te, was ich machen kann.“

Vor unmenschli­chem Druck im Auswahlver­fahren müssen sich Bewerber heute ohnehin nicht mehr fürchten – anders als früher vielleicht. Zeitdruck herrscht zwar immer noch, sagt Stärk, auch Stress-Interviews oder provoziere­nde Fragen gibt es. „Die meisten Unternehme­n verzichten darauf aber zunehmend. Auch für das Unternehme­n geht es ja darum, wie man sich präsentier­t.“Das sollten Teilnehmer an Auswahlver­fahren ohnehin immer bedenken, rät Hain. Nicht nur ein Arbeitgebe­r sieht hier, wer zu ihm passt – auch der Bewerber kann sich einen eigenen Eindruck von der Unternehme­nskultur verschaffe­n. Wie ist der Umgangston? Wie sind die Mitarbeite­r so? „Denn das sind ja oft die zukünftige­n Kollegen.“(dpa)

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FOTO: ZEROCREATI­VES Das Assessment-Center heißt heute häufig anders. Die Idee ist aber die gleiche: ein strukturie­rtes Programm, mit dem Unternehme­n potenziell­e Mitarbeite­r besser kennenlern­en.

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