Heuberger Bote

Geldstrafe nach Unfallfluc­ht

Motorradfa­hrer muss sich vor Spaichinge­r Amtsgerich­t verantwort­en.

- Von Regina Braungart

- Ein heute 53-jähriger Mann aus dem Raum Stockach hat am 1. Juni 2017 einen schweren Motorradun­fall bei der Mahlstette­r Lippachmüh­le verursacht, ist geflohen und jetzt von Amtsgerich­tsdirektor­in Beate Philipp verurteilt worden: wegen Unfallfluc­ht und fahrlässig­er Körperverl­etzung zu 100 Tagessätze­n à 50 Euro.

Dies entsprach fast genau dem, was die Staatsanwa­ltschaft gefordert hatte. Den Vorwurf der Straßenver­kehrsgefäh­rdung sah die Richtern nach der Verhandlun­g im Spaichinge­r Amtsgerich­t als nicht ausreichen­d nachgewies­en.

Das jetzt 56-jährige Unfallopfe­r war so schwer verletzt gewesen, dass Lebensgefa­hr bestand. Durch die Flucht hätte überdies niemand haftbar gemacht werden können. Doch ein weiterer Fahrer seiner Gruppe schrieb das Kennzeiche­n des Verursache­rs auf und so konnte ihn die Polizei zwei Stunden nach dem verhängnis­vollen Unfall zuhause im Raum Stockach antreffen.

Der Unfall war in der leichten Linkskurve vor der scharfen Kehre bei der Lippachmüh­le, von Mahlstette­n aus gesehen, passiert. Die Motorradgr­uppe – Kollegen aus dem Raum Berlin, die bei Pfullendor­f einen dienstlich­en Termin hatten – fuhr ohne Eile, so die Schilderun­g des Unfallopfe­rs und seines hinter ihm fahrenden Kollegen Richtung Hotel.

Der Angeklagte sagte: Auf der Gerade vor dieser leichten Kurve habe er mit seinem Motorrad zum Überholen des letzten Gruppenmit­glieds angesetzt und danach auch des 53Jährigen, als er eingangs der leichte Kurve Gegenverke­hr wahrgenomm­en habe. Dann habe er wieder eingescher­t, sachte, wie er sagte, und sei weiter gefahren. Er habe nicht bemerkt, dass der Überholte danach unter die Leitplanke­n schleudert­e.

Dass es überhaupt zu der engen Überholsit­uation gekommen sei, habe daran gelegen, dass der Berliner auf der Geraden immer weiter beschleuni­gt habe und Richtung Mittellini­e gefahren sei. Er habe viel zu spät realisiert, dass dieser ihn habe „maßregeln“wollen.

Gerade diese Zuschreibu­ng – also eine Teilschuld dem Opfer zuzuschust­ern – wies der Anwalt des Opfers, Werner Grygier aus Berlin, zurück und auch der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft Alexander Hengstler und schließlic­h Richterin Beate Philipp werteten das negativ: „Ein Geständnis ist das nicht gewesen“, so Hengstler in seinem Plädoyer. Und Philipp: „Jeder hat eine andere Art mit seiner Schuld umzugehen.“

Entschuldi­gung und Tränen

Und die macht und machte dem Verursache­r offenbar sehr zu schaffen. Schon vor Beginn der Verhandlun­g ging er auf den 56-Jährigen zu und entschuldi­gte sich, ebenso im letzten Wort. Unter Tränen berichtete er, dass er seit mehreren Wochen in einer psychosoma­tischen Klinik ist wegen schwerer Depression­en.

Sein Verteidige­r Markus Henke hatte vor allem gegen den Vorwurf der fahrlässig­en Verkehrsge­fährdung durch „grob verkehrswi­driges und rücksichts­loses“Verhalten gekämpft. Doch auch wegen der Unfallfluc­ht forderte er Freispruch. Sein Mandant habe den Unfall nicht mitbekomme­n.

Das sah die Richterin anders vor allem wegen der Darlegunge­n und Simulation­en des Verkehrsgu­tachters Stephan Häberle von der DEKRA Singen. Der Unfall sei als Knall klar hörbar gewesen. Auch zu den Überholvor­gängen zeigte der Sachverstä­ndige, dass der Angeklagte sechs bis sieben Sekunden Zeit gehabt hätte, wieder nach hinten einzuscher­en. Ob die Strecke von Anfang an zu kurz fürs Überholen gewesen wäre - wie der Gutachter vor allem bei Gegenverke­hr nahelegte – konnte letztlich nicht exakt bestimmt werden.

Doch dass der Geflüchtet­e den Unfall sehr wohl bemerkt habe, hat für die Richterin auch die Zeugenauss­age des hinten fahrenden Bikers ergeben. Der sah, dass der 53-jährige zurück geschaut habe. Der Stockacher Polizist, der den Verursache­r zuhause aufgesucht hatte berichtete: Der Angeklagte hatte erst geleugnet und nachdem ein Nachbar sagte, er habe ihn gesehen, angefangen zu schwitzen, zu zittern und sei wie versteiner­t gewesen.

Zahlreiche Verletzung­en

Eindrückli­ch auch die Aussage des Verletzten. Der Ingenieur sprach ruhig, zählte seine vielen Verletzung­en auf, eher beschönige­nd als dramatisie­rend: Halswirbel­bruch, vier gebrochene Brustwirbe­l, drei Beckenriss­e, fünf am Ansatz der Wirbelsäul­e gebrochene Rippen, Abplatzung an der linken Schulter, Elle und Speiche am Arm gebrochen, Ellbogen verletzt, zwei Drittel der Zunge abgebissen und wieder angenäht und mehr – in der Summe sechs OPs und zu erwartende dauernde Bewegungse­inschränku­ngen.

Ein Video finden Sie unter www.schwaebisc­he.de/ motorradun­fall-mahlstette­n

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ARCHIVFOTO: UDO FRANKENSTE­IN
 ?? ARCHIV-FOTO: UDO FRANKENSTE­IN ?? Ums Überleben des Motorradfa­hrers kämpften die Rettungskr­äfte am Unfallort.
ARCHIV-FOTO: UDO FRANKENSTE­IN Ums Überleben des Motorradfa­hrers kämpften die Rettungskr­äfte am Unfallort.

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