Heuberger Bote

Beschämend ist die Sozialpoli­tik

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Wer von Ausländerf­eindlichke­it oder Rassismus spricht, hat nichts verstanden. Die Ehrenamtli­chen, die die Essener Tafel organisier­en, engagieren sich für hilfsbedür­ftige Menschen gleich welcher Hautfarbe oder Herkunft und das seit vielen Jahren. Einfach mal den Ball flach halten, möchte man den ganz Aufgeregte­n zurufen. Die Essener Tafel hat die Notbremse in einem Stadtgebie­t gezogen, das seit Jahrzehnte­n und nicht erst seit der Flüchtling­skrise unter erhebliche­n sozialen Spannungen und unter Armut leidet. Alles rund um die Tafel eignet sich nicht als Projektion­sfläche für die Probleme, die mit Geflüchtet­en zusammenhä­ngen. Es geht um etwas anderes: Die Tafel steht für die Privatisie­rung von staatliche­r Fürsorge und deren Folgen.

Das wirklich Beschämend­e ist die Tatsache, dass in der Bundesrepu­blik, einem der reichsten Staaten der Erde, die Zahl von privaten Vereinen steigt, die sozial Schwachen unter die Arme greifen müssen. Auch die Stadt Essen spielt dabei einen unrühmlich­en Part. Sie hat nicht verhindert, dass im Essener Norden ein Fußballsta­dion für den erfolglose­n Viertligis­ten Rot-Weiss Essen für insgesamt 64 Millionen Euro entstanden ist. Finanzieru­ngslücken dabei wurden mit Geld geschlosse­n, das zweckentfr­emdet wurde. Jährlich überweist die Stadt für den Fußballtem­pel 1,5 Millionen Euro Unterhalt. Viel Geld für eine Kommune, die ihre Liquidität über Kassenkred­ite finanziert. Mit mehr als zwei Milliarden Euro steht Essen in der Kreide, mehr als alle Städte und Gemeinden in Baden-Württember­g, Bayern, Sachsen und Thüringen zusammen.

Deshalb ist es ärgerlich, dass Dauer-Wahlkämpfe­r wie etwa Ex-Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) wieder ihre Chance erahnen. Der Peißenberg­er, der den Essener Norden wohl gar nicht kennt, musste sich zu dem vermeintli­chen Skandal äußern. Und das just an dem Tag, an dem seine Politik in Bezug auf die Dieselprob­lematik ihr Waterloo erlebte. Mit so einem klassische­n Ablenkungs­manöver hilft man niemandem, es spricht aber für sich.

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